Der Sieger bleibt allein (German Edition)
Mineralwasser mit Kohlensäure und einen Espresso. Der Kellner fragt, ob sie etwas vom Buffet haben möchten. Sie lehnen dankend ab, sie hätten schon zu Mittag gegessen.
Nach kürzester Zeit ist er mit ihrer Bestellung zurück.
»Alles in Ordnung?«
»Alles in Ordnung.«
›Alles grauenhaft‹, denkt Ewa. ›Nur der Kaffee nicht.‹
Hamid fällt auf, dass etwas Seltsames mit seiner Frau vor sich geht, aber er schiebt ein Gespräch darüber auf. Er möchte nicht darüber nachdenken. Er möchte nicht Gefahr laufen, etwas zu hören wie ›Ich werde dich verlassen‹. Er verfügt über genug Selbstbeherrschung, um jetzt nichts zu sagen.
An einem der andern Tische sitzt einer der berühmtesten Modedesigner der Welt, neben ihm liegt sein Fotoapparat. Der Mann schaut ins Leere, er will offensichtlich nicht gestört werden. Niemand nähert sich ihm, und wer es dennoch versucht, wird von der pr -Dame des Hotels, einer sympathischen 50-Jährigen, höflich gebeten, ihn in Ruhe zu lassen, er müsse sich etwas vom ständigen Ansturm der Models, der Journalisten, der Kunden, der Impresarios erholen.
Hamid erinnert sich daran, wie er diesen Modeschöpfer zum ersten Mal gesehen hat. Es kommt ihm vor, als wäre es ewig lange her. Damals war er gerade seit elf Monaten in Paris, hatte einige Freunde in der Modeszene gefunden, an verschiedene Türen geklopft und dank der Kontakte des Scheichs (der entgegen seiner Behauptung, niemanden in der Branche zu kennen, überall wichtige Freunde hatte) eine Anstellung als Designer bei einem der renommiertesten Haute-Couture-Häuser erhalten. Anstatt aber nur Skizzen auf der Grundlage der ihm vorliegenden Stoffe zu machen, blieb Hamid bis spät in die Nacht im Atelier und arbeitete für sich selber mit Materialproben, die er aus seiner Heimat mitgebracht hatte.
In seiner Pariser Zeit musste er zweimal nach Hause fahren: Das erste Mal, als sein Vater gestorben war und ihm das kleine Familienunternehmen, den Stoffhandel, vererbt hatte. Doch noch bevor er sich deswegen Gedanken machte, erfuhr er von einem Abgesandten des Scheichs, dass jemand sich um die Verwaltung des Geschäfts kümmern und genügend investiert werden würde, um es erfolgreich zu machen, er als Sohn aber weiterhin Eigentümer bleibe.
Er fragte, warum, denn der Scheich hatte bisher weder Interesse an Mode noch am Geschäft seines Vaters gezeigt.
»Eine französische Firma, die ursprünglich nur Koffer hergestellt hat, möchte sich hier niederlassen. Als Erstes haben sie unsere Stofflieferanten aufgesucht und versprochen, deren Stoffe für einige ihrer Luxusprodukte zu benutzen. Also haben wir bereits einen Kunden, ehren unsere Traditionen und behalten die Kontrolle über die in unserem Land hergestellten Stoffe.«
Hamid kehrte mit dem Wissen nach Paris zurück, dass die Seele seines Vaters nun im Paradies war und sein Andenken in dem Land zurückbleiben würde, das er so sehr geliebt hatte. Er arbeitete weiter für sich, machte Entwürfe zu Beduinenthemen und experimentierte mit den Stoffen, die er mitgebracht hatte. Wenn diese französische Firma, die für ihre Kühnheit und ihren guten Geschmack bekannt war, an dem interessiert war, was in seinem Land hergestellt wurde, würde diese Nachricht sicher bald in der Modehauptstadt der Welt ankommen und die Nachfrage groß sein.
Alles war nur eine Frage der Zeit. Aber offensichtlich verbreiteten sich die Nachrichten schnell.
Eines Morgens wurde er zum Chef des Modehauses gerufen, für das er arbeitete. Zum ersten Mal betrat er das Heiligtum, den Saal, in dem der große Couturier arbeitete. Hamid war von der dort herrschenden Unordnung beeindruckt. Überall verstreute Zeitungen, auf dem alten Tisch Papierstapel, Unmengen von Fotos von ihm mit Berühmtheiten, gerahmte Zeitschriftentitelseiten, Materialproben, eine Vase voller weißer Federn in allen Größen.
»Was Sie machen, ist großartig. Ich habe Ihre Entwürfe eingesehen, die Sie dort offen herumliegen haben. Ich möchte Sie bitten, vorsichtiger zu sein. Wir wissen nie, ob jemand morgen zur Konkurrenz wechselt und gute Ideen mitnimmt.«
Hamid gefiel der Gedanke nicht, dass er ausspioniert wurde. Aber er sagte nichts, während der Chef des Hauses fortfuhr:
»Warum sage ich, dass Sie gut sind? Weil Sie aus einem Land kommen, dessen Bewohner sich völlig anders kleiden als wir, und Sie in Ihren Entwürfen versuchen, die Kleidung Ihres Heimatlandes für den Westen zu adaptieren. Allerdings haben wir im Westen ein
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