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Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Titel: Der Sieger bleibt allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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ein gutes Drehbuch, genügend Geld und möchte eine dieser Schauspielerinnen der zweiten Gruppe in meinem Film haben. Sie nimmt das Angebot an. Sie hat ausreichend Talent, um die Rolle zu spielen, die ich ihr anvertraue, und ist intelligent genug, um zu wissen, dass sie, selbst wenn der Film kein Erfolg wird, zumindest weiter auf der Leinwand präsent sein und auch in reiferem Alter noch arbeiten wird, weil, wer weiß, sich plötzlich ein Produzent für ihre Arbeit interessiert.«
    Igor hat inzwischen auch gemerkt, dass die Mädchen am Nebentisch das Gespräch mithören.
    »Wollen wir etwas spazieren gehen?«, fragt er leise. »Hier auf der Terrasse können wir nicht ungestört reden. Ich kenne einen schönen, ruhigen Ort, von dem aus man den Sonnenuntergang betrachten kann.«
    Genau das will sie in diesem Augenblick hören: eine Einladung zu einem Spaziergang! Um den Sonnenuntergang zu sehen, obwohl bis dahin noch einige Zeit vergehen wird. Er probiert es nicht mit der bei Männern üblichen plumpen Tour: ›Kommen Sie doch noch kurz mit auf mein Zimmer, ich muss mir andere Schuhe anziehen‹, und oben im Zimmer dann: ›Ich habe Kontakte und weiß, wen Sie brauchen‹, wobei der Typ einen gleichzeitig packt und küssen will.
    Sie hätte, ehrlich gesagt, nichts dagegen, von diesem hinreißenden Mann geküsst zu werden, über den sie allerdings überhaupt nichts weiß. Aber die Eleganz, mit der er sie verführt, würde sie so schnell nicht wieder vergessen.
    Sie erheben sich. Am Ausgang bittet er den Kellner, alles auf sein Zimmer zu verbuchen (also logiert er im Martinez!). Auf der Croisette angekommen, schlägt er vor, nach links zu gehen.
    »Da ist es ruhiger. Außerdem denke ich mir, dass der Blick von dort schöner ist, denn die Sonne geht über den Hügeln unter, die dann vor uns liegen.«
    »Igor, wer sind Sie?«
    »Gute Frage«, antwortet er. »Das wüsste ich auch gern.«
    Noch ein Pluspunkt. Nichts von dieser Angeberei, er sei reich, intelligent und könne dies oder das. Er will nur mit ihr zusammen den Sonnenuntergang genießen, nichts anderes. Schweigend schlendern sie nebeneinander bis zum Ende des Strandes. Unterwegs begegnen ihnen alle möglichen Leute – ältere Ehepaare, die in einer anderen Welt zu leben scheinen und mit dem Filmfestival nichts zu tun haben, Jugendliche in engen Jeans, iPod-Stöpseln in den Ohren und Inlineskates an den Füßen. Straßenhändler, die ihre Waren auf Tüchern ausgebreitet haben, deren Ecken mit einer Schnur versehen sind, damit sie, sobald ein Polizist auftaucht, ihre ›Schaufenster‹ in Beutel verwandeln, aufstehen und weggehen können. Igor und Maureen kommen an einer von der Polizei abgesperrten Stelle vorbei – eine einfache Parkbank. Maureen bemerkt, dass ihr Begleiter sich immer wieder umdreht, als warte er auf jemanden..., aber möglicherweise hat er sich auch nur nach einem Bekannten umgesehen.
    Sie gehen auf einen Pier, von wo die Sicht auf den Strand von den vertäuten Booten etwas verstellt ist, und finden schließlich ein einsames Plätzchen – eine bequeme Bank mit Rückenlehne. Sie sind ganz allein, denn wer sollte schon hierherkommen, wo überhaupt nichts los ist. Maureen ist bestens gelaunt.
    »Wie schön es hier ist! – Wissen Sie, warum Gott am siebten Tag geruht hat?«
    Igor versteht die Frage nicht, doch Maureen fährt fort:
    »Weil am sechsten Tag, bevor er die Arbeit beendete und den Menschen eine vollkommene Welt hinterließ, eine Gruppe von Hollywoodproduzenten zu ihm kam und sagte: ›Überlassen Sie uns den Rest. Wir kümmern uns um einen Sonnenuntergang in Technicolor, Spezialeffekte für Stürme, perfekte Beleuchtung und ein Soundequipment, das die Menschen, wenn sie Brandung hören, glauben lässt, es sei das echte Meer.‹«
    Der neben ihr sitzende Mann stimmt nicht in ihr Lachen ein, sondern blickt ernst vor sich hin.
    »Sie haben mich gefragt, wer ich bin«, sagt er.
    »Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber die Stadt kennen Sie jedenfalls gut. Und ich kann dem noch hinzufügen: Es ist ein Segen, dass ich Sie getroffen habe. An einem einzigen Tag habe ich Hoffnung, Verzweiflung und Einsamkeit erlebt und nun auch noch die Freude, in Begleitung zu sein. Viele Gefühle auf einmal.«
    Igor zieht einen Gegenstand aus der Tasche – er sieht wie ein kurzes Holzrohr aus.
    »Die Welt ist ein gefährlicher Ort«, sagt er. »Egal, wo man ist, ständig läuft man Gefahr, Menschen zu begegnen, die ohne den geringsten Skrupel andere Menschen

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