Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Helm herunter und schrie: „Krampf! Kniekehle! Streck mir schnell das rechte Bein, Bend!“
Ohne zu überlegen, eilte der Liechtensteiner herbei, packte den rechten Ski seines Kumpels, stellte das Brett auf die Hinterkante und drückte dessen Bein durch, so dass der Muskel in der Kniekehle gestreckt wurde.
„Denk an was Entspannendes, Luchsi. Ruhig atmen!“, mahnte Justin.
Fabian keuchte. Justin tastete an die Wade seines Teamkollegen, fand den steinharten Muskel und massierte ihn. Nach ein paar Sekunden spürte Fabian endlich, wie der Krampf nachließ und er sich allmählich entspannte.
„Gopf! Bend! Ich dachte eben, mir würde einer das Bein ausreißen!“, klagte er.
„Alles klar, ihr zwei?“, fragte ein etwas kurz geratener schnauzbärtiger Mann in einer blauen ARD-Jacke mit Mikrofon in der Hand und einer Kamerafrau im Rücken.
„Garchinger, gib mir deine freie Hand! Du, Justin, pass auf, dass ich das Knie nicht beugen muss beim Aufstehen“, wies Fabian seine nächste Umgebung an.
Der Reporter spielte mit und zusammen bekamen sie den langen Glarner ohne weiteren Muskelkrampf wieder auf beide Skier. Das Publikum quittierte seine Rettung mit einem Applaus. Auch mehrere Teamkollegen waren herbeigeeilt, sogar Koslow und der drittplatzierte Österreicher Ski-Star Pesenbauer hatten sich zur Szene bemüht und jede Menge Pressefotografen blitzen die beiden jungen Rennfahrer.
„Ups – was haben die alle?“, fragte Fabian, „Welche Zeit hab ich, Bend?“
„Weiß nicht, Luchsi – ich musste dich ja retten“, antwortete Justin.
„Ihr seid mir zwei lustige Rennläufer – nix gesehen und doch gewonnen!“, lachte der Bayer Garchinger.
„Nochmals ups!“, sagte Fabian.
„Du bist genau eine Hundertstel schneller“, erklärte Koslow, der kräftige Mann aus Russland mit dem kurzen Haarschnitt und sehr männlichem Vollbart auf Steirisch-Deutsch. „Im Kaukasus wird’s umgekehrt sein!“, fügte er mit ernster Stimme hinzu.
Der Russe blickte mit seinen dunklen Augen erst Justin dann wieder Fabian an. „Dein Kollege ist Fünfter! Dann werde ich euch beide zu Hause zwischen dem Schwarzen Meer und dem Kaukasus sehen“, bemerkte er und reichte dem Liechtensteiner Nachwuchsfahrer förmlich die Hand.
„Das hoffe ich!“ Mehr brachte auch Justin nicht heraus. Ein einzelner fünfter Platz reichte da noch längst nicht aus, um sich auf Augenhöhe mit der Weltspitze zu fühlen, meinte er, grinste dann aber seinen Kumpel an. „Fabian Luchsiger, Sieger auf der Streif, das klingt seltsam.“
„Noch sind nicht alle unten“, relativierte dieser seine Platzierung, obwohl nur noch schwache Läufer oben standen. Justin schob ihn nun Richtung Siegertreppe, was im Publikum einen neuen Applaus und ein paar Lacher auslöste.
„Fabian Luchsiger, Sie feiern Ihren ersten Weltcupsieg und das gleich bei der alpinen Abfahrt auf der Streif“, sprach ihn der ARD-Reporter Garchinger an, während auch Koslow nun zurück zur Wand mit den Sponsorenlogos und der Treppe hinüberging. „Ist das das Ticket zur Olympiade nach Sotschi?“
„Ob ich für die Spiele nominiert werde, entscheidet Swiss-Ski. Ich freue mich natürlich über das gute Rennen.“ Er fühlte sich überrumpelt und wusste nicht, was er jetzt sagen sollte, schüttelte seine rote Mähne und winkte den Schweizer Fans zu.
Garchinger hielt nun Justin das Mikrofon unter die Nase.
„So ganz hat er wohl noch nicht begriffen, was eben passiert ist“, lachte Justin. „Fabian ist in der Weltspitze angekommen – so schön!“
„Damit ist er nicht allein, scheint mir“, grinste Garchinger. „Sie fuhren ja auch unter die Top Five.“ Ein hellblonder Skifahrer im deutschen Skirenndress bremste gleich neben dem Interviewpaar und war ganz außer sich.
„He, Bend, Luchsi, ich bin Elfter! Damit darf ich auch bei der olympischen Abfahrt starten“, jubelte Häusle, als hätte er soeben ein Fußballtor geschossen. „Fünfter, du Wildfang du!“, grinste er, „und Luchsi hat gewonnen! Das ist der Angriff der Millenniumsgeneration!“
„Das war unser Slalomgenie Florian Häusle“, erklärte Garchinger in die Kamera, „der Ihnen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, gewiss noch als diesjähriger Sieger des City Events von München in Erinnerung geblieben ist. Heute ist der junge Schwarzwälder als enthusiastischer Abfahrtsrennläufer unterwegs.“
Inzwischen war mit der Startnummer vierzig bereits ein polnischer Läufer eingetroffen, mit vier Sekunden
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