Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Reporter. „Ihr Teamkollege Bend hat auch eine unerwartet gute, fast sensationelle Leistung geboten. Werden Sie beide zu den Senkrechtstartern von Sotschi.“
„Ob ich in den Kaukasus fliege, entscheidet Swiss Olympic auf Empfehlung von Swiss-Ski, mehr kann ich dazu nicht sagen“, gab sich Fabian diplomatisch. Neben der notwendigen sportlichen Leistung durfte er auch keine Funktionäre verärgern, sollte sein olympischer Traum wahr werden.
Der ORF-Mann bedankte sich. Ein großer, älterer Herr mit einem hübschen Sohn gratulierte dem frisch gebackenen jungen Abfahrtssieger. Ein paar Pressefotografen knipsten den Handschlag. Fabian wurde sich erst danach bewusst, dass ihm eben Arnold Schwarzenegger kräftig die Hand gedrückt hatte. Noch ein Prominenter wollte mit auf die Fotos: der Landeshauptmann von Tirol. Fabian fühlte sich bedrängt und verzog sich zu seinem Team, auch um Florian zu gratulieren.
Das strahlende Gesicht des kleinen kraushaarigen Monti, sein Teamchef mit der Mini-Glatze am Hinterkopf, empfing ihn beim Betreuerbereich: „Na, geht doch, ihr beiden. Weniger – wie sagt man auf Deutsch? –
grilli per la testa
?“
„Flausen im Kopf“, übersetzte Garchinger, der in Fabians Nähe geblieben war.
„
Ecco!
Weniger Flausen im Kopf und mehr Training – und Erfolg ist da! Nach Duschen, Imbiss, dann wir gehen besichtigen Slalom von morgen! Dann 18:30 Uhr nicht vergessen: Riesen-
festa
!“
„Ups! Slalom? Das ist doch die Sache mit den Stangen, die einem voll in die Schnauze knallen?“, neckte Fabian gut gelaunt.
„Ich sehe, du bist Experte, Fabian. Siegerfoto, Dopingtest! Hotel! Duschen!“, befahl der Teamchef mit einem breiten Grinsen.
„Saubi, was sagt die Tabelle zu unserem langhaarigen Shooting-Star und unserem Nachwuchs?“, fragte Monti. Saubauer zog seinen Tablet-Computer hervor und zeigte den Punktestand, aufsummiert seit Saisonbeginn.
„Ich sollte meine Freundin um zwanzig nach am Hauptbahnhof abholen, also eigentlich jetzt“, erwähnte Justin kleinlaut.
„Na, servus! Wir sollten noch bei Tageslicht den Slalom besichtigen gehen! Wenn das der Frehsner Karl wüsst’ … Kann die Dame nicht wenigstens alleine bis zum Hahnenkammbahnhof kommen?“
„Nicht doch, Saubi!
Amore
ist wichtig!“, schaltete sich Monti ein. „Die
signorina
kennt sich doch nicht aus, Justin. Na, geh dich umziehen, dann hol sie ab und bring sie dann direkt mit zur Besichtigung!“
Justin wartete nicht ab, bis Saubauer noch etwas dagegen sagen konnte, und eilte unter einem ziemlich pubertären Gekicher seiner Teamkollegen aus dem Betreuerbereich hinaus.
„Pressefotos bei der Sponsorenwand – komm wieder mit rüber. Der Ski-Punk schnappt dem großen, aufgeblasenen Koslow den Sieg auf der Streif vor der Nase weg“, lachte der drittplazierte österreichische Ski-Star Pesenbauer. „An den Gedanken muss ich mich erst noch gewöhnen.“
„Nicht nur du“, meinte Fabian kleinlaut. Der Österreicher schob ihn in Richtung der Wand, während seine Leute nun über die Tabellen diskutierten. Fabian hätte gerne zugehört, wenn über seine Chancen für Sotschi diskutiert wurde, doch als Sieger auf der Streif stand er nun im Mittelpunkt des Interesses, zog endlich seine Skier aus, um sie in die Kameras der Pressefotografen zu halten, denn das Firmenlogo musste mit aufs Bild.
„Das war mal eine lustige Story mit den Jungen“, bemerkte Garchinger zum Kollegen vom Schweizer Fernsehen, als die beiden nun ebenfalls zum Siegerfototermin mit hinübergingen, während gerade der letzte Läufer mit neun Sekunden Rückstand auf die Bestzeit den Zielraum erreichte. Damit war die heurige Hahnenkammabfahrt abgeschlossen, wie der Platzsprecher für das Publikum auf den Tribünen und an der Rennstrecke über Lautsprecher erklärte. Fabian wurde offiziell zum Gewinner ausgerufen. Die drei Besten wurden von den Pressefotografen abgelichtet, danach stand die Dopingkontrolle an. Die große Siegerehrung würde erst nach Einbruch der Nacht beim Zielhaus stattfinden.
Bei Fabians bisherigen Dopingkontrollen war entweder der Konditionstrainer oder Saubauer persönlich als Vertrauensperson dabei gewesen, aber die waren ja alle in der improvisierten Sitzung unter freiem Himmel und konnten ihn deshalb nicht begleiten. Zum Glück hatte sich der als dritter ebenfalls zum Test aufgebotene Jörg Pesenbauer bereit erklärt, für Fabian die nach dem Reglement einem Athleten zustehende Vertrauensperson zu spielen, damit der Glarner nicht
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