Der silberne Buddha
Chinese strahlte Clifton an, und seine Erwiderung stand in seltsamem Widerspruch zu seinem ganz offensichtlichen Wohlbehagen.
„Almes Mistel Yin sein klank, Mistel Clifton!“ sagte er.
„Ein Chinese, der kein ,R’ ahssprechen kann!“ registrierte Clifton. „Ich glaube, ich könnte ihn ohne weiteres hochheben und zur Seite stellen“, überlegte er und wußte doch im gleichen Atemzug, daß das ein äußerst kindischer und unangebrachter Gedanke war.
„Nun, Mister Yin wird sicher nicht so schwerkrank sein, daß ich ihn nicht wenigstens für zwei Minuten sprechen könnte, oder? In der Botschaft sagte man mir, daß er nur ein wenig Fieber habe.“
Der Chinese lächelte höflich und fröhlich zugleich — und schwieg.
„Bitte fragen Sie ihn, ob ich ihn für einen Augenblick sprechen könnte!“ bat Perry Clifton ohne Nachdruck.
„Abel geht nicht, Mistel Clifton.“
„Und warum nicht?“
„Ist Mistel Yin velleist!“
„Er ist verreist?“
„Nul sehl kleine Leise! Hat mil gesagt, daß bald zulück!“
„Hat er Ihnen auch verraten, wohin er gereist ist?“
„Vielleicht hat mil gesagt, abel bestimmt ich habe velgessen. Habe ich nicht gedacht, daß ist wichtig.“
Perry Clifton schluckte hinunter, was ihm auf der Zunge lag. Er glaubte dem kleinen Chinesen kein Wort.
„Okay“, sagte er dann zu dem Mann in der Tür, der einen weißen Anzug trug und ihn nach wie vor ansah wie seinen entlaufenen Lieblingshund, der nun endlich wieder heimgekehrt war. „Okay, sagen Sie Ihrem Herrn, wenn er von seiner kleinen Reise zurückgekehrt ist, daß ich seinen Anruf erwarte!“
„Ich habe velstanden, Mistel Clifton, und ich weide nicht velgessen auszulichten gloße Bitte von Mistel Clifton.“
„Danke!“ Perry Clifton wollte sich schon abwenden, als dem kleinen Chinesen noch eine Frage einfiel: „Hat Mistel Yin Ihle Telefonnummel?“
„Ich stehe im Telefonbuch!“
Ohne ein weiteres Wort machte der Detektiv kehrt und wandte sich der Treppe zu. Entschlossen, diesem Besuch auf der Stelle einen dritten folgen zu lassen.
Der dritte Besuch
Als Perry Clifton Chelsea erreichte, war es 20 Minuten vor 11 Uhr. Er parkte seinen Wagen am Onslow Square und ging die dreihundert Meter zur Hickory Street Nr. 44 zu Fuß. Er war so mit Nachdenken beschäftigt, daß er für die respektablen Häuser und Villen samt ihren blühenden Gärten rechts und links der Straße keinen Blick übrig hatte.
Natürlich mußte er damit rechnen, daß er umsonst kam, aber... da war es. Zwei Vieren aus Messing. Goldschimmernd und auf Hochglanz geputzt. Das schmiedeeiserne Gartentor, mit fernöstlichen Ornamenten versehen, ließ sich leicht öffnen, und Perry Clifton passierte es. Bis zur Haustür zählte er dreißig Schritte.
Es handelte sich um ein einstöckiges Haus mit einer angebauten Doppelgarage, deren beide Kipptore runtergeklappt waren.
Der Klingelknopf neben der Haustür hatte die Größe einer Kinderfaust, und der Gongschlag, der dem Niederdrücken folgte, paßte sich in seiner dröhnenden Lautstärke dem Umfang des Knopfes an. Er glich eigentlich mehr einem Glockenschlag und erinnerte Perry Clifton unpassenderweise an die Kathedrale von Salisbury.
Er wollte die Glocke schon ein zweites Mal zum Schlagen bringen, als er ein schlappendes Geräusch jenseits der Tür hörte. Die Tür öffnete sich, und er sah in ein uraltes verrunzeltes Gesicht, das zu einem steinalten Asiaten gehörte. Clifton nickte kurz und sagte: „Mein Name ist Clifton, ich hätte gern Mister Fu Li Song gesprochen!“ Der alte Mann drehte den Kopf zur Seite, beugte sich ein wenig vor und reckte ihm das rechte Ohr entgegen. Clifton wiederholte seinen Wunsch in entsprechender Lautstärke.
„Werden Sie erwartet?“ wollte der Greis wissen.
„Es könnte sein!“ erwiderte Perry mit einem Schulterzucken.
„Bitte!“ Der Alte machte eine einladende Handbewegung, und Clifton trat ein. Sie kamen in eine Art Wohnhalle.
„Bitte warten Sie. Ich werde Sie anmelden!“
Perry Clifton sah zu, wie der alte Mann hinter einer reichverzierten Tür verschwand. Er versuchte irgendwelche Geräusche zu erlauschen, doch das Haus blieb stumm. Es vergingen kaum zwanzig Sekunden, da öffnete sich dieselbe Tür wieder.
Unauffällig musterte Clifton den Koreaner, der jetzt mit ausgestreckter Hand auf ihn zukam. Er mochte einen Kopf kleiner sein als er, etwa fünfzig Jahre alt und war sehr hager. Außerdem besaß er kaum Haare. Seine Kleidung bestand aus einem leichten,
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