Der silberne Buddha
als bestünde es nicht nur aus zwei, sondern aus zehn Silben. „Nein, ich habe keinen Verdacht!“ Es klang nach dem genauen Gegenteil.
„Sind Sie sicher?“
„Selbst wenn ich eine bestimmte Person in Verdacht hätte, Mister Clifton, wäre es unnötig, darüber zu sprechen.“
„Und woraus schließen Sie das?“
„Weil diese Person in keiner Weise in das bisherige Ermittlungsergebnis paßt. Wang Yin hat mir erzählt, daß der Buddha im Auftrag eines Koreaners, also eines Landsmannes von mir, gestohlen worden sei. Dieser Mann nannte sich einmal Cheng, ein anderes Mal Han Moon. Ferner spielt noch ein Chinese namens Tschiang Fu eine Rolle. Der Mann, dem ich zugetraut hätte, an diesem Diebstahl beteiligt zu sein, ist Burmese und war drei Jahre als Gärtner und Koch hier im Haus. Ich mußte ihn entlassen, weil er heimlich Whisky trank.“
„Was ist aus diesem Mann geworden?“
„Er ging als Koch nach Malta!“
„Und sonst haben Sie keinen Verdacht?“
Fu Li Song schwieg.
„Haben Sie die Namen Cheng, Tschiang Fu oder Han Moon vorher schon einmal gehört?“
„Die beiden ersten. .In diesem Augenblick klingelte das Telefon auf dem Schreibtisch. „Entschuldigung!“ sagte Fu Li Song, beugte sich hinüber und nahm den Hörer ab. Eine Zeitlang lauschte er mit gerunzelter Stirn in den Hörer, dann sagte er nur die drei Worte: „Alles im zweiten!“ und legte wieder auf. Zu Clifton gewandt: „Wo waren wir stehengeblieben?“
„Es ging um die Namen Cheng, Tschiang Fu und Han Moon!“ Damit half Perry Clifton Fu Li Song, den Faden wieder zu finden.
„Richtig. Die beiden ersten Namen habe ich sicher schon das eine oder andere Mal gehört.“ Er nickte, und sein Mund verzog sich zu lächelnder Breite. „Sie sind beide nicht ungewöhnlich. Was ich jedoch nicht kann, ist, sie in Zusammenhang mit den vorliegenden Ereignissen zu bringen. Dagegen habe ich den Namen dieses falschen Inspektors Han Moon noch nie gehört. Aber Sie sind ja der Meinung, daß hinter Cheng und Han Moon ein und dieselbe Person steckt!“
Perry Clifton wehrte ab. „Ich habe dafür keinen Beweis, nur eine Vermutung.“
Fu Li Song schüttelte nachdenklich den Kopf. „Sagen Sie mir, Mister Clifton, wozu schickt dieser angebliche Inspektor einen harmlosen Museumsdiener nach Dorchester? Was steckt da dahinter?“
„Wenn ich das wüßte, Mister Li Song, wäre ich schon ein kleines Stück weiter. Übrigens war ich vorhin in der koreanischen Botschaft, um mit Mister Wang Yin zu sprechen. Leider ist er krank!“
„Krank?“ Es klang, als interessiere das den Seidenhändler absolut nicht.
„So sagte man mir in der Botschaft.“
„Mit wem haben Sie gesprochen?“
„Mit der entzückenden jungen Lady vom Empfang. Sie sprach von Fieber. Also machte ich mich anschließend auf den Weg in die Akkorod Street in Westend, um dem fieberkranken Mister Yin einen Besuch abzustatten. Aber leider kam ich auch hier vergebens: Mister Wang Yin ist mit unbekanntem Ziel verreist!“
Zuerst ging es wie ein Schlag durch Fu Li Song, dann sprang er auf, machte zwei, drei Schritte auf Clifton zu, besann sich und tastete sich, mühsam nach Beherrschung ringend, zu seinem Stuhl zurück. „Es war wohl ein Fehler, ihn mit der Aufgabe zu betrauen!“ flüsterte er mit bleichen Lippen, während es in seinen Augen zu lodern begann.
„Ich glaube, daß Sie irren, wenn Sie glauben, Wang Yin könnte etwas mit dem Diebstahl zu tun haben!“ sagte Perry Clifton, doch es klang in Fu Li Songs Ohren wohl nicht überzeugend genug. Zumindest ließ sein abruptes Abwinken darauf schließen.
Perry Clifton erhob sich, entnahm seiner Brieftasche eine Visitenkarte und reichte sie Fu Li Song. „Sollte sich Mister Yin bei Ihnen melden oder Ihnen sonst etwas einfallen, was mir bei meinen Nachforschungen helfen könnte, bitte rufen Sie mich an!“
„Und was soll ich der Polizei sagen?“
„Antworten Sie auf die Ihnen gestellten Fragen. Ich arbeite nicht gegen sie, sondern mit der Polizei zusammen.“ In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und der greise Sen Tikh erschien mit einem Tablett in den Händen. Auf eine herrische Handbewegung des Seidenhändlers hin zog er sich jedoch zurück.
„Er wird alt und ist dem Ritus der Teezubereitung kaum noch gewachsen!“ sagte er, und es klang kalt und gefühllos.
„Sehen Sie es ihm nach. Altsein kann mitunter sehr beschwerlich sein...“
Kleines Zwischenspiel
Alec York setzte ein Dienstgesicht auf, als er den alten Mann
Weitere Kostenlose Bücher