Der silberne Buddha
begann er, verstummte aber sogleich.
Der Detektiv hatte lebhaft genickt. „Ich weiß, was Sie denken, Sir, aber ich bin völlig normal.“ Und mit einem Lächeln fügte er hinzu: „Und getrunken habe ich außer Tee heute auch noch nichts. Der Buddha, der unter dem Glassturz steht, ist der silberne. Ich habe ihn genau identifiziert. Und zwar unterscheidet er sich deutlich durch eine Falte im Gewand, die dem goldenen Buddha fehlte.“
„Mister Clifton“, ereiferte sich Caven, „ich war zuletzt vor einer halben Stunde drüben in Saal drei. Da befand sich der goldene Buddha unverändert unter dem Sturz.“
„Ein Buddha, Sir. Ich hege die Befürchtung, daß hier ein ganz raffinierter Coup gelandet worden ist.“
Caven schüttelte den Kopf. „Worauf wollen Sie hinaus, Mister Clifton?“
„Es gibt, wendet man die Gesetze der Logik an, nur eine einzige Erklärung: Der oder die Diebe sind zweimal in das Hartford-Haus eingedrungen.“ Der Direktor schwieg, Clifton fuhr fort: „Als sie zum ersten Mal kamen, legten sie die Alarmanlage lahm und nahmen den goldenen und den silbernen Buddha mit. Bei einem früheren Besuch müssen sie festgestellt haben, daß sich die beiden Statuen über alle Maßen gleichen. Sie ließen den silbernen Buddha mit einer Goldschicht überziehen, überpinseln oder überspritzen — ich kenne den Fachausdruck dafür nicht —, drangen ein zweites Mal ein und stellten die präparierte Figur unter den Glassturz. Sie rechneten wohl damit, daß man, solange die Ausstellung lief, nur nach dem silbernen Buddha forschen würde. Inzwischen hätten die Diebe Zeit genug, alle eventuellen Spuren hinter sich zu verwischen.“
„Aber nein, Mister Clifton... aber nein, das ist eine zu phantastische Konstruktion. Sie müssen sich irren!“ Sir Ernest Caven war aufgesprungen. Der sonst so ruhige Mann ruderte hilflos mit den Armen.
„Prüfen Sie den Sachverhalt nach, Sir!“
„Das werde ich...“ Caven beugte sich vor und drückte auf einen der acht Knöpfe auf seinem Schreibtisch. Dabei löste er in Saal drei ein Lichtsignal aus, das für die dort stationierte Sicherheitsperson Zeichen war, zu ihm zu kommen. Es dauerte auch nur eine halbe Minute, bis es an die Tür klopfte.
„Sir?“ fragte der Livrierte, den Perry Clifton bereits vorhin gesehen hatte.
„Mister York, bitte schließen Sie die Zugänge zu Saal drei und sorgen Sie dafür, daß die Besucher den Saal räumen. Sollte man Sie nach dem Grund fragen, sagen Sie, daß etwas umgestellt werden muß.“
Der Mann in der Uniform verbeugte sich kurz.
„Sehr wohl, Sir!“ sagte er und entfernte sich. Wenn er erstaunt über die Anordnung war, so verstand er es meisterhaft, dieses Erstaunen zu verbergen. Knapp zehn Minuten später meldete er, daß Saal III von allen Besuchern geräumt sei. Die beiden Männer folgten ihm.
In hektischen Schritten eilte Sir Ernest zuerst zu dem Wandschrank, in dem sich die Schalter für die Alarmanlage befanden. Er öffnete ihn, warf einen flüchtigen Blick auf die Anlage und unterbrach dann das Alarmsystem. Wenig später standen sie vor dem schwarzen Marmorsockel. Perry Clifton hielt sich schweigend im Hintergrund, während Sir Ernest und der Mann namens York behutsam die gläserne Hülle von dem Sockel hoben. Caven murmelte dabei unverständliche Worte. Sie setzten den Sturz auf einem samtbezogenen Hocker ab, und Sir Ernest griff mit beiden Händen nach der Statue. Und dann sah es wirklich so aus, als würde er wanken. Kalkweiß und mit bleichen Lippen kam er auf Perry Clifton zu.
„Sie hatten recht, Mister Clifton!“ keuchte er leise. „Es ist eine Katastrophe! Das kann den Ruin des Hartford-Hauses bedeuten.“
Der Detektiv nahm Caven den Buddha aus der Hand und wendete ihn um. „Es ist nicht der goldene Buddha!“ stöhnte der Direktor. Sie sahen in der Höhlung das tatsächliche Material, aus dem die Statue gegossen worden war: Silber.
„Nur nichts überstürzen, Sir!“ Der Detektiv versuchte, Caven Mut zuzusprechen. „Es wäre ein Fehler, vorzeitig die Flinte ins Korn zu werfen.“
Er reichte dem mit offenem Mund dastehenden Ausstellungsdiener den Buddha und sagte: „Bitte, Mister York, stellen Sie ihn zurück! Und zu keinem Menschen ein Wort über das, was wir soeben entdeckt haben.“
Mister York schluckte, nickte und würgte dann hervor: „Selbstverständlich, Sir!“
Perry Clifton dirigierte den verzweifelten, vor Fassungslosigkeit bebenden Sir Ernest zurück zum Wandschrank und forderte
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