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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gewonnen?«
    »Wo liegt die Verbindung zu Guyana, Stan?«
    »Das werden Sie sofort sehen.« McFarell setzte die Hornbrille wieder auf die Nase, griff zu einer Pappröhre, die neben seinem Schreibtisch stand, erhob sich und trat damit zur Sitzgruppe. Yeremi rutschte rückwärts in den Sessel und schwenkte die Beine um neunzig Grad zum Tisch herum. Der Professor ließ sich in den Sessel zu ihrer Rechten sinken, zog einen gerollten Bogen Papier von der Größe eines Posters aus der Pappe und breitete ihn auf dem viereckigen Tisch aus. Nachdem er die Ränder des Bogens mit dem steinernen Keulenkopf einer Inka-Streitaxt und einem aus Silber geschmiedeten Maiskolben fixiert hatte, fragte er: »Was sehen Sie hier?«
    Sie beugte sich über den hochglänzenden Druck, der spontan an die rissige, stark verschmierte Farbpalette eines in Öl arbeitenden Malers erinnerte. »Die Satellitenaufnahme einer bewaldeten Bergregion. Ungewöhnlich hohe Auflösung«, sagte sie sachkundig. Mit derlei Fotografien konnten geringste Verwerfungen und Bodenanomalien sichtbar gemacht werden, weshalb sich auch die Archäologie immer häufiger der »Himmelsspione« bediente. Sie deutete auf eine Anzahl Flecken in Türkis- und Rosatönen. »Die Farbdifferenzen im Infrarotbereich wurden verstärkt.«
    McFarell nickte. »Fernaufklärungstechnik von dieser Güte stand bis vor kurzem nur dem Militär zur Verfügung. Vielleicht kennen Sie die Bilder, mit denen man 1987 die unterirdischen Schiffsgräber in Giseh geortet hat. Das hier ist hundertmal besser. Eigentlich hatte man mit dem neuen Satelliten den Zustand des tropischen Regenwaldes im nördlichen Südamerika untersuchen wollen. Als man die Aufnahmen aus dem Grenzgebiet von Guyana und Brasilien unter die Lupe nahm, ist man auf das da gestoßen.« Der Professor bohrte einen knubbeligen Zeigefinger mitten in den Regenwald.
    Yeremi beugte sich vor und beäugte skeptisch die Stelle im unteren Teil des Großbildes. Bei dem betreffenden Gebiet handelte es sich um eine Gebirgsgegend. Inmitten einer ultramarinblauen Fläche waren drei kleine rote Punkte zu sehen. Sie zuckte die Achseln. »Wärmequellen, möglicherweise Erdthermik vulkanischen Ursprungs, na und?«
    McFarell ließ zwei weniger große Fotografien aus der Pappröhre in seine Hand rutschen. Eine legte er nach einem kurzen Blick sofort wieder zur Seite, während er die zweite direkt unter Yeremis Nase entrollte. »Diese Aufnahme zeigt dieselbe Region, die Wassarai Mountains, jetzt aber in zwanzigfacher Vergrößerung, ohne Falschfarben, dafür jedoch vom Computer zusätzlich scharf gerechnet.«
    »Wie aufregend! Ein bewaldeter Berg, vermutlich mit drei heißen Quellen, die unter der Vegetation nicht zu erkennen sind. Endlich mal was, das zu erforschen sich lohnt.«
    »Sie sind heute wieder besonders bissig, meine Liebe. Aber warten Sie’s ab!« Der Professor entrollte ein weiteres Satellitenfoto.
    Yeremis Augen weiteten sich. Wieder handelte es sich um eine Vergrößerung, aber diesmal hatte man die Wärmeunterschiede erneut durch Farbverfälschungen hervorgehoben. Auf dem Foto waren deutlich drei in einer Reihe angeordnete quadratische rote Felder zu erkennen. »Das kann unmöglich eine zufällige Formation sein«, hauchte sie, während ihre Fingerkuppen behutsam über die glänzende Oberfläche des Bildes strichen.
    McFarell seufzte befreit. »Sie glauben gar nicht, wie sehr mich Ihr Urteil beruhigt!«
    »Es könnte sich um eine unterirdische Anlage handeln, die ursprünglich rituellen Zwecken diente.«
    »Und es möglicherweise immer noch tut. Der Rotton in der Falschfarbendarstellung weist auf eine im Vergleich zur Umgebung deutlich höhere Temperatur hin.«
    »Ich bin keine Physikerin, aber könnte nicht auch eine natürliche Wärmequelle in diesem Bergmassiv eine solche Temperaturverteilung hervorrufen, sofern sie genau unter dem künstlich geschaffenen Hohlraum läge?«
    »Um das festzustellen, möchte ich Sie nach Guyana schicken.«
    Yeremi sah nur für einen Moment von der Fotografie auf, um in McFarells zufriedenes Lächeln zu blicken. Sofort kehrte ihr Blick wieder zu dem Bild zurück. Sie fuhr mit dem Zeigefinger die Umrisse des mittleren Vierecks nach.
    »Sehen Sie diesen Farbverlauf in den Karrees? Anscheinend sind sie in ihrem Zentrum am wärmsten, und hier…« Ihr Finger folgte den betreffenden Konturen. »Es sieht so aus, als würden feine Linien von den Eckpunkten zur Mitte hin laufen.«
    »Stellen Sie sich eine unterirdische

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