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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sagen, ob ihr Stoff nicht aus den tropischen Regenwäldern Afrikas oder Asiens stammte. Dort könnten Pflanzen mit demselben Wirkstoff existiert haben und möglicherweise – bislang unentdeckt – immer noch wachsen und gedeihen.«
    »Die Erkenntnisse der deutschen Forscher ließen sich aber auch als Indiz für einen regelmäßigen Warenaustausch zwischen Ägypten und Südamerika deuten.«
    »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, Stan?«
    Der Professor bedeutete ihr durch eine Geste, Geduld zu bewahren. »Lassen sie mich noch eine letzte Eigentümlichkeit ansprechen, dann komme ich auf den Punkt. Es geht um die Anordnung der Pyramiden von Giseh.«
    »Was soll damit sein?«
    »Sie sind exakt so gruppiert wie die Gürtelsterne des Orion.«
    »Wundert Sie das? Die Sterndeuter der frühen Hochkulturen waren Cracks auf dem Gebiet der Astronomie.«
    »Sie sprechen vermutlich jene Ära von etwa eintausendeinhundertfünfzig Jahren an, in der die klassischen ägyptischen Pyramiden entstanden sind, also zwischen der dritten Dynastie – so um 2750 vor unserer Zeitrechnung – bis zur siebzehnten. Scheinbar haben die Baumeister der Monumente von Giseh aber Konstruktionspläne benutzt, die mindestens fünftausendsiebenhundert Jahre älter waren.«
    »Sie machen Witze! Woher nehmen Sie diese hanebüchene Vermutung?«
    »Von einem belgischen Bauingenieur namens Robert Bauval.« McFarell beugte sich vor und fixierte Yeremi aus seinen kühlen Augen. »Er behauptet, die Formation der großen ägyptischen Pyramiden entspräche exakt jener Konstellation, wie sie im Sternbild des Orion vor zehntausendfünfhundert Jahren bestanden hat. Was sagen Sie nun?«
    »Ich bin zwar keine Astroarchäologin, aber meines Wissens verändert sich am Firmament nicht nur die Position der Sternbilder als Ganzes, sondern auch die Stellung der einzelnen Himmelskörper zueinander. Hat Ihr Belgier auch diese Verschiebungen in seine Berechnungen einbezogen?«
    »Nein. Das sieht wie ein Schwachpunkt in Bauvals Hypothese aus, nicht wahr?«
    »Allerdings. Damit bricht sie in sich zusammen.«
    »Das habe ich auch lange gedacht. Aber dann fiel mein Blick eines Morgens auf eine der großen Reklametafeln am Highway. Ein Elektrofachmarkt warb für seine Toaster mit einer brünetten Schönheit, die drei Brüste hatte. Fotomontage, versteht sich. Aber die Botschaft war klar: ›Wir bieten mehr, als normal ist!‹ Hinter dem Spiel mit der Abnormität steckt eine Taktik. Könnte es sich mit dem kosmischen Plan, nach dem die Anlage von Giseh errichtet wurde, nicht genauso verhalten? Angenommen, die Architekten wussten um die Eigenbewegung der Sterne und haben gerade deshalb eine Konstellation aus der Zukunft in ihre Zeit projiziert. Stellen Sie sich das vor: eine gigantische Reklametafel, sogar vom Weltraum aus zu sehen, die eine simple Botschaft vermittelt: ›Wir bieten mehr, als normal ist.‹ Wäre das nicht sensationell?«
    Yeremi wäre fast ein zweites Mal in den Sessel gerutscht. Zunächst erwiderte sie gar nichts, starrte den Professor nur ungläubig an. Dann warf sie die Hände in die Höhe, ließ sie wieder schlaff herabfallen und rief: »Ich bin versucht, an Ihrer Identität zu zweifeln. Sind Sie wirklich der Stanley A. McFarell, den ich seit mehr als anderthalb Jahrzehnten zu kennen glaube? Oder habe ich jemand anderen vor mir, einen Schwindler, der nur vorgibt, Dekan der Anthropologischen Fakultät von Berkeley zu sein?«
    Der Professor wurde leichenblass. Er wirkte ehrlich betroffen.
    Yeremi flüchtete sich in ein verlegenes Lächeln. Sie pflegte mit ihrem Mentor zwar einen saloppen Umgangston, aber es gab trotzdem nur wenige Menschen, die sie so respektierte wie ihn. Versöhnlich fügte sie hinzu: »Tut mir Leid, wenn ich zu hart mit Ihnen umgesprungen bin, Stan. Aber meine ehrliche Meinung zu Ihren Argumenten lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Spekulation. Nichts daran ist wirklich stichhaltig. Selbst die angebliche Übereinstimmung der Pyramidenanordnung mit den Gürtelsternen des Orion könnte reiner Zufall sein.«
    McFarell musterte die junge Frau sekundenlang ohne erkennbare Regung. Allmählich kehrte die Farbe in sein Gesicht zurück, und er lächelte nachsichtig. »Schon gut, ich bin Ihnen nicht böse für Ihre Offenheit. Vielleicht lassen Sie mich meinen Gedanken zu Ende spinnen, bevor Sie abschließend darüber urteilen. Sie haben natürlich Recht. Die Auffälligkeiten in Verbindung mit den Pyramiden von Giseh beweisen allein noch nichts,

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