Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
bedeckt, die Fi im bläulichen Licht eher an Algen als an Haare erinnerten. Die Augen waren geschlossen, doch irgendetwas an seinem Gesicht war seltsam. Irgendwie war die Nase etwas klein, außerdem besaß er keine Augenbrauen. Hinzu kam, dass der Fremde völlig unbekleidet war, abgesehen von einem breiten Hüftgurt samt Waffenscheide, aus dem ein delfinförmiger Messergriff ragte. Moment, was war das? Zwischen den Fingern des Unbekannten spannten sich Hautlappen.
Aufgeschreckt ließ Fi die leuchtende Flasche weiter nach unten in Richtung Hüfte wandern – und riss erstaunt die Augen auf. Dort, wo eigentlich Beine hätten sein sollten, befand sich halb im Wasser ein langer Fischschwanz mit breiter Flosse.
»Sieh einmal an«, krächzte Kriwa. »Ein Meermann!«
Nikk
W er bist du?« Der geheimnisvolle Meeresbewohner strich sich verwirrt über die Wange. Sicher schmerzte sein Gesicht, denn nach mehreren erfolglosen Versuchen, ihn durch Rütteln aus seiner Trance zu reißen, hatte Fi zu einer saftigen Ohrfeige ausgeholt. Als sie nun in seine fast verträumt wirkenden schwarzen Augen blickte, bekam sie ein schlechtes Gewissen. Der Meermann schien mit diesen Augen bis auf den Grund ihrer Seele blicken zu können. Fi spürte eine Sehnsucht in sich aufsteigen, mit ihm tief hinab in die See zu gleiten, um dort die Wunder des Nordmeers mit eigenen Augen zu sehen. Verlegen ließ sie ihre rechte Hand sinken, die sie zu einem weiteren Schlag erhoben hatte.
»Ich bin Fi«, sagte sie freudig erregt. Was war nur los mit ihr? »Ich stamme aus Albion«, plapperte sie munter weiter und bemühte sich um ein reizendes Lächeln, von dem sie hoffte, der Meermann würde es erwidern. »Viel mehr kann ich dir leider nicht über mich sagen, aber ich würde mich sehr freuen, wenn du uns verrietest, wer du bist?« Fahrig nestelte sie an ihrem Kopftuch und ärgerte sich, dass sie so ein schäbiges Stück Stoff trug. Gern hätte sie dem Meermann gezeigt, dass sie ebenso schönes Haar besaß wie er. An ihm war überhaupt alles wundervoll. Sein wohlgeformter Körper schimmerte im Licht der Phiole wie grünlich blauer Achat, und Fi erwischte sich bei dem Gedanken, wie es wohl wäre, seine muskulösen Oberarme zu berühren.
»Meine Freunde nennen mich Nikk und ich bin dir zu großem Dank verpflichtet«, antwortete der Meermann. »Ich bin der Sohn von Meerkönig Aqualonius. Sag schon, wo ist sie?«
Sie? Offenbar meinte er diese schreckliche Sirene. Aber die war für Fi im Moment völlig unwichtig. Sie hoffte vielmehr, dass Nikk weitersprach, denn der Klang seiner Stimme fühlte sich wie ein sanftes Streicheln an. Dabei schien sich Nikk auf reizende Weise auf jedes einzelne Wort konzentrieren zu müssen.
Der Meermann sah sich argwöhnisch in der Höhle um und Fi entdeckte seine spitzen, fast elfisch anmutenden Ohren, hinter denen sich die Ansätze von Kiemen verbargen. Wie bezaubernd.
»Du bist also ein Prinz?«, gurrte sie.
»Ich habe nach einem Heilmittel für meinen Vater gesucht«, erwiderte Nikk, ohne auf ihre Frage einzugehen. »Dabei bin ich in die Fänge einer Sirene geraten, obwohl ich wusste, dass diese Nixenfresserin hier irgendwo lauert. Wie konnte ich nur so dumm sein? Also, wo ist sie? Ist sie tot?«
»Nein, sie ist leider putzmunter«, krähte Kriwa. »Sie lauert nur darauf, uns alle zu fressen.«
Der Meermann riss die Augen auf, schlug die Hand vor die Brust und verneigte sich. »Welch eine Laune des Schicksals, Majestät. Ich nehme an, Ihr seid die stolze Möwenkönigin Kriwa, von der die Legendenweber meines Volkes erzählen. Auch heute noch besingen sie voller Ehrfurcht, wie Ihr einst meinem Großvater geholfen habt.«
»Ach, schon gut«. Geschmeichelt sträubte Kriwa das Gefieder.
Fi fühlte Eifersucht in sich aufsteigen.
»Das ist ja nun schon einige Hundert Jahre her«, fuhr Kriwa fort. »Aber eins solltest du wissen, junger Nikkoleus, bei mir beißt du mit deinem magischen Meermann-Charme auf Granit.«
Empört sah Fi die Möwe an.
»Entschuldige, eine alte Gewohnheit.« Nikk schloss die Augen, berührte seinen Unterkörper und konzentrierte sich. Unvermittelt kam Bewegung in den langen Fischschwanz. Unter der Wasseroberfläche spaltete sich das Schuppenkleid und nahm die Konturen von Beinen an. Selbst Nikks Haut wurde so blass wie die eines Elfen. Der Meermann erhob sich schwankend und Fi sah staunend dabei zu, wie sich die Flossen am Ende seiner Gliedmaßen zu Füßen umbildeten. Auch die Schwimmhäute zwischen
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