Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
Vom Netzwerk:
deine Vorstellungen sind. Manchmal tritt der wahre Kern eines Sachverhalts durch eine Übersteigerung eher zutage. In der Psychotherapie nennt man diese Technik konfrontative Reizüberflutung. Bei dir scheint sie allerdings nicht zu wirken.«
    »Ich bin nicht verrückt, Doc, ich bin nicht krank. Das einzige Problem, was ich habe, besteht darin, dass ich in einer Welt lebe, die nicht wirklich ist, dass ich selbst und alles um mich herum nur simuliert ist.«
    »Ja, das habe ich verstanden, und es tut mir leid, dass ich daran nichts ändern kann.« Er stand auf. Dann seufzte er. »Aber ich kann das Rad ein Stück weiter drehen, ich kann dir einen Tipp geben. Vielleicht kommst du dann zur Vernunft.«
    »Einen Tipp?«
    »In deinem scheinbar so logischen Gedankengebäude, in diesem Hirngespinst, gibt eine kleine Lücke, etwas woran du noch nicht gedacht hast.« Er lächelte. »Natürlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis du selbst darauf kommst, bis du den Faden weiterspinnst. Aber wenn du es von mir hörst, fällt dir vielleicht auf, wie abwegig das klingt.«
    Ich kann nicht sagen, dass ich begierig darauf war, Docs Spielchen weiter mitzumachen. Er behandelte mich wie ein Versuchskaninchen, wie eine Laborratte, die er mal dahin und mal dorthin dirigierte.
    »Nehmen wir also an, unsere Welt sei nichts als ein überdimensionierter, riesiger Simulator. Müsste es nicht auch hier eine Kontakteinheit geben, einen zweiten Löwitsch? Wer ist diese Kontakteinheit?«
    Daran hatte ich tatsächlich nicht gedacht. Jeder Simulator brauchte eine Kontakteinheit, einen Hausmeister, der darin herumlief und nach dem rechten sah. Jemand, der alles aus erster Hand wusste, der in der simulierten Wirklichkeit schwamm wie ein Fisch im Wasser.
    »Das könnte jeder sein«, ging mir irgendwann auf.
    »Falsch, es muss jemand sein, den du kennst. Du stehst ja im Mittelpunkt des Komplotts.. Das ist übrigens typisch für eine Wahnvorstellung, aber das sage ich nur nebenbei. Die Kontakteinheit muss dich beobachten können, kontrollieren, vielleicht sogar beeinflussen. Sie wird dir also vertraut sein, möglicherweise sogar sehr vertraut.«
    »Kowalski, Fassbender, Kerstin...«, begann ich meine Aufzählung.
    »Samantha.«
    »Nein! Nicht Samantha. Sie kann nicht die Kontakteinheit sein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil man sie heute Nacht umprogrammiert hat.«
    »Hm, kein Beweis, wie mir scheint.«
    So sehr ich geneigt war, Docs Theorien zu folgen, Samantha zu verdächtigen, ging zu weit. Aber wer kam noch in Frage? Stefan Kurz wohl kaum. Ein anderer Techniker, ein Ingenieur, jemand vom Sicherheitsdienst? Hier im Sinex-Hochhaus arbeiteten unzählige Menschen. Dann sah ich meinen alten Lehrer an.
    »Ja, richtig. Auch ich könnte die Kontakteinheit sein. Du solltest niemanden voreilig ausschließen. Ziehe also auch mich in Betracht.«
    Ich schüttelte den Kopf. Vielleicht hatte er recht. Es war krank, überall Verdächtige zu sehen, Spione, Verräter.
    »Du siehst, wie weit es mit dir gekommen ist? Wenn du diese Welt in Frage stellst, musst du alles in Frage stellen, jeden, sogar jene, die du liebst. Und am Ende auch dich selbst.«
    Nachdem er aufgebrochen war, blieb ich noch eine Weile sitzen. Keine Ahnung, wie spät es war. Wenn Docs Theorien tatsächlich stimmten, so wenig er auch selbst daran glaubte, dann musste ich diese Kontakteinheit finden. Ich musste sie vor dem nächsten Anfall finden, denn dann wäre mein Ende gekommen. Ich musste sie finden und... Ja, was würde ich mit ihr machen? Sie zu einem Geständnis zwingen? Sie töten? Ich war auf dem besten Weg, zu einem Menschen zu werden, der in seinem Wahn mordete.
    In der Lobby stieß ich auf Samantha. Draußen protestierten noch immer einige wenige Interviewer. Ich fragte mich, wie lange sie bereits im großzügigen Eingangsbereich des Sinex-Hochhauses saß. Warum war sie nicht zu mir hinauf ins Büro gekommen?
    »Ich wollte nicht stören«, antwortete sie und erhob sich aus ihrem riesigen Gästesessel. »Ich wollte dich nicht ... überfallen.« Sie trug einen hellbraunen Kaschmirmantel, der ihr unfassbar gut stand. »Heute Morgen...«
    »Es tut mir leid«, ich erinnerte mich gut an unser Videofonat. Ich war nicht gerade herzlich zu ihr gewesen.
    Sie hakte sich bei mir unter, und wir gingen zum Aufzug, der uns zum Parkdeck im Keller brachte.
    »Du hast Glück, wenn ich nicht an der Pforte meine neue Code-Karte hätte holen müssen, wäre ich gleich runter gefahren, und wir hätten uns verpasst. Ich

Weitere Kostenlose Bücher