Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
Vom Netzwerk:
er Dinge zum ersten Mal.
    »Alles Einbildung. Elektronische Impulse, nanometergroße Transistoren, winzige Spannungsunterschiede. Und eine virtuose Programmierung.«
    »Alle Achtung, Marc, du besitzt eine grandiose Vorstellungskraft.«
    Finster sah ich ihn an. »Natürlich glaubst du mir nicht, dabei liegt alles auf der Hand. Ich muss blind gewesen sein. Genauso blind wie du.«
    »Beruhige dich, Marc. Lass uns darüber reden. Deshalb bin ich doch gekommen.« Er war ebenfalls aufgestanden und führte mich zu meinem Sessel zurück. »Komm, setz dich. Also, der Reihe nach. Wie hast du entdeckt, dass wir in einem...«, er räusperte sich, »Simulator leben.«
    »Durch Löwitsch.«
    »Löwitsch?«
    »Nein, Kurz, ich meine, Kurz-Löwitsch oder Löwitsch-Kurz.«
    »Aha.« Sein Gesichtsausdruck war ernst geworden.
    Dann erzählte ich ihm die ganze Geschichte. Von Stefan Kurz’ Aufschaltung, Ralf Fassbenders mutwillig herbeigeführter Überspannung, Löwitschs Flucht, unserem Handgemenge und dem gewaltsamen Rücktransfer unserer Kontakteinheit.
    Und ich erzählte ihm von Löwitschs Freude, den ersten Schritt auf dem Weg in die Wirklichkeit vollbracht zu haben, seiner Verachtung für uns und unsere künstliche Welt, für unsere Unwissenheit, für die Borniertheit, mit der wir uns für Götter hielten, obwohl wir nicht mehr waren als die Schatten einer höheren Macht.
    Und ich erzählte ihm von seiner Angst, zurück zu müssen, der Panik in seinen Augen, als wir ihn anschnallten, als er wusste, dass er verloren hatte. Ein Blick wie vor der Hinrichtung.
    »Warst du allein... Ich meine, gibt es Zeugen?«
    »Ja, Ralf Fassbender hat mir geholfen.« Wenigstens dafür war Ralf zu gebrauchen. »Auf was willst du hinaus?«
    »Kann er deine Angaben bestätigen? Hat er ebenfalls gehört, was Kurz gesagt hat?«
    Ich überlegte. Ralf war dazugekommen, als wir bereits im Transferraum waren. Da war Löwitsch bereits überwältigt gewesen und hatte resigniert. Vermutlich hatte er nicht mehr sonderlich viel gesagt. Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«
    »Halten wir fest: Es ist zu einem Zwischenfall gekommen, vielleicht sogar zu einem – wie nennt ihr es? – reziproken Transfer. Oder Kurz ist zusammengebrochen, hatte einen psychotischen Schub. Die Aufschaltung geht ja mit einer enormen psychischen Belastung einher. Ralf und du habt aber die Sache schnell in den Griff bekommen. So könnte es gewesen sein.«
    »Aber so war es nicht. Du warst nicht dabei.«
    »Niemand war dabei. Das ist ja das Problem.
    »Du glaubst mir nicht?«
    »Doch, ich glaube dir. Ich glaube, dass du davon überzeugt bist, dass Kurz dir von einem größeren Simulator erzählt hat, einer Weltmaschine. Aber ich glaube auch, dass du dir dieses Gespräch nur einbildest, dass die Vorstellung, unsere eigene Welt sei nur simuliert, deiner psychischen Entlastung dient.«
    Ich antwortete nicht. Gleichgültig, was ich vorbrachte, der Doc hatte immer eine plausible Antwort parat. Seine Argumentation war lückenlos, und ich fand keinen Ansatzpunkt, sie ins Wanken zu bringen.
    »Schau, Marc«, auch er setzte sich wieder, »ich hatte das vorausgesehen. Und du musst zugeben, da hattest du mir noch nichts von Kurz oder von Löwitsch erzählt.«
    Das stimmte, er hatte alles auf wundersame Weise vorausgesehen.
    »Vielleicht denkst du jetzt, dass es ein seltsamer Zufall ist, vielleicht denkst du sogar, ich sei ein Teil vom Komplott« − er lachte − »das würde ja zu deiner Paranoia passen. Aber ich versichere dir, Marc, für einen psychologisch geschulten Menschen ist diese Wendung absolut naheliegend, ich möchte sogar sagen, zwingend.«
    War ich wirklich so einfach gestrickt, war mein Verhalten tatsächlich so vorherbestimmt, wie es den Anschein hatte? Ich mochte und schätzte meinen alten Lehrer, aber heute fiel es mir schwer, seine Ansichten zu teilen und seine Ratschläge anzunehmen.
    »Aber lass uns doch mal den Gedanken weiterspinnen. Nehmen wir also an, unsere Welt sei selbst ein Simulator. Daraus folgt ja zwangsläufig, dass es eine andere Welt gibt, in der dieser Simulator steht. Nennen wir sie Wirklichkeit erster Ordnung. Wir leben in der Wirklichkeit zweiter Ordnung, Löwitsch in jener dritter Ordnung.« Er machte eine lange Pause und schien nachzudenken. »Blinzle und du, ihr habt den Simulator erschaffen, du bist der Programmierer der Wirklichkeit dritter Ordnung. Muss es nicht auch jemanden geben, der unsere Wirklichkeit zweiter Ordnung programmiert

Weitere Kostenlose Bücher