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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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hat?«
    »Vermutlich.«
    »Das würde deine Anfälle erklären.«
    Ich horchte auf. »Was hat mein Schwindel damit zu tun?«
    »Hast du eine Vorstellung davon, wie sich eine Aufschaltung aus der Perspektive des – ich nenne das mal so – Opfers anfühlt?«
    »Du meinst...?«
    »Wenn wir tatsächlich in einer Simulation lebten, dann wärst du als Programmierer eines weiteren Simulators eine Art Schlüsselfigur und es wäre nicht verwunderlich, wenn sich jemand regelmäßig aufschaltete, um dich und deinen Geisteszustand zu prüfen.«
    Er hatte recht! Genauso musste es sein. Genauso würde sich eine Aufschaltung anfühlen. Das nahm ich jedenfalls an, denn Vergleichsmöglichkeiten hatte ich nicht.
    »Nun, ich habe gesagt, wenn ! Unter der Annahme, dass ! Natürlich ist das Quatsch, denn unsere Welt ist kein Simulator. Wenn ich das aber annähme, dann wäre das die folgerichtige Erklärung für deine Anfälle.«
    Warum hatte ich das nicht selbst schon längst erkannt? Docs Gedankengang war so naheliegend und folgerichtig, dass jeder vernünftige Mensch darauf kommen musste.
    Der oberste Programmierer schaltete sich regelmäßig auf mich auf. Vielleicht wollte er kontrollieren, inwieweit ich sein Spiel durchschaute. Aber warum war ich dann nicht längst deaktiviert oder umprogrammiert worden? Ich dachte an meine jüngsten Anfälle zurück.
    Es fiel mir schwer, mich an die einzelnen Situationen zu erinnern. Mein letzter Anfall war am Vorabend gewesen. Da wartete ich auf Samantha, die die Toilette des Rostigen Pflugs aufgesucht hatte.
    Was hätte der große Steuermann oder sein Abgesandter in diesem Moment aus meinen Gedanken und Gefühlen herauslesen können? Nichts Verdächtiges jedenfalls. Bis zu diesem Zeitpunkt, bis zu Samanthas plötzlichem Verschwinden, war ich noch fest davon überzeugt gewesen, an einer psychischen Störung zu leiden. Docs Theorie der exogenen Depression hatte mich vielleicht gerettet.
    Offenbar stand ich unter Beobachtung. In regelmäßigen Abständen schaltete sich jemand auf, prüfte meinen Geisteszustand, meine Loyalität – vergewisserte sich meiner Unwissenheit, verbesserte ich mich in Gedanken. Solange ich nichts definitiv wusste , war ich sicher. Ich galt als Risiko, nahm ich an, und man war bereit, mich jederzeit zu löschen oder neu zu programmieren, scheute aber offenbar den Aufwand. Wenn jetzt allerdings jemand in meinen Kopf geschaut hätte, wäre ich verloren gewesen.
    Mein vorletzter Anfall hatte während der Autofahrt im Odenwald stattgefunden. Kurz nach dem Verschwinden der Straße. Ja, auch dieses Verschwinden war ein Beweis für Löwitschs Behauptung. Genauso würde sich ein Fehler in der Konstanzkontrolle in einem Simulator auswirken. Natürlich konnte nicht immer jede Kleinigkeit kohärent simuliert werden, aber hier griff dieses Notreparaturprogramm ein. Es bügelte kleinere Fehler aus, sorgte dafür, dass sie den Reaktionseinheiten nicht ins Bewusstsein drangen. An jenem Abend hatte das System bei mir versagt, genauso versagt wie unseres bei der bedauernswerten Frau Hauser.
    Dort oben auf der mondbeschienenen Kuppe hatte ich das nicht verstanden. Zum Glück, wurde mir jetzt klar. So hatte auch diese Aufschaltung keine Verdachtsmomente erbracht. Ich war zwar verwirrt gewesen, beunruhigt, aber verstanden hatte ich auch damals nichts.
    Mir blieb also nicht viel Zeit. Alle paar Tage schaltete sich jemand bei mir auf, manchmal nur alle paar Wochen. Bei der nächsten Aufschaltung würde alles auffliegen, dann stünde endgültig fest, dass ich das System durchschaut hatte, dann würde man mich genauso löschen, wie man es mit Blinzle getan hatte. Und es gab keine Möglichkeit, das zu verhindern. Ich konnte meine Gedanken weder abschirmen noch durch andere, dem großen Steuermann genehmere, ersetzen.
    Der Doc hatte zwischenzeitlich weitergeredet, doch ich hatte nur mit halbem Ohr zugehört. »Du hast völlig recht«, unterbrach ich ihn, »man beobachtet mich, seit Monaten schon, vermutlich seit Blinzle seinerseits die Zusammenhänge erkannt hat. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis ich die gleichen Schlussfolgerungen ziehe.«
    »Marc, mal Spaß beiseite, dein Verfolgungswahn macht mir Angst. Hör dir doch mal selbst zu, überall dunkle Mächte, die dich beobachten, die dir nach dem Leben trachten. Kleine Männchen, die sich in deinem Kopf eingenistet haben. Hältst du das für normal?«
    »Aber das war doch deine Theorie!«
    »Ich versuche nur dir deutlich zu machen, wie absurd

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