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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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doch verletzt, kunstvoll verbunden und betäubt. Ich sah an mir herunter, konnte aber weder Verbände noch andere Ergebnisse ärztlichen Wirkens sehen. Ich trug einen grauen Overall. Nichts deckte mich zu, keine Schläuche oder Elektroden steckten in meinem Körper.
    Samantha hob vorsichtig meinen Kopf und zog die Haube ab. Ihr Kabel war das einzige, was zu den Maschinen hinter mir führte.
    »Wo bin ich? Was ist geschehen?«
    Samantha lächelte. Sie führte einen Finger zu den Lippen. »Später.«
    Plötzlich verstand ich, verstand, warum mir der Raum so bekannt vorkam, warum ich keinen Augenblick irritiert gewesen war, hier aufzuwachen. Ich lag im Kontaktraum. In einem Kontaktraum, nicht unserem, denn bei aller Ähnlichkeit, die Unterschiede waren unübersehbar.
    Peter Löwitsch fiel mir ein, jener Peter Löwitsch, der mir in Stefan Kurz’ Körper im Gang unseres Kellers entgegengestürmt war, jene Reaktionseinheit, die durch einen ungewollten Rücktransfer in unsere Welt aufgestiegen war.
    Das hier musste also die höhere Wirklichkeit sein, das musste Marc Lapierres Liege sein, die Liege des großen Steuermannes, der sich in einer Empathieschaltung auf mich aufgeschaltet hatte. Wir hatten die Körper getauscht. Gerade noch rechtzeitig.
    Samantha, der das Erkennen in meinen Augen nicht entgangen war, nickte. »Ja, Marc, wir haben es geschafft.«
    »Und...«
    »Marc? Der andere Marc?« Für einen Augenblick fiel ein Schatten auf ihr Gesicht. Sie wandte sich ab. »Er ist tot.«
    »Dann hast du...?«
    »Nein, Marc. Das habe ich nicht gewollt. Das konnte ich nicht ahnen. Ich wollte nur, dass ihr die Plätze tauscht. Umbringen wollte ich ihn nicht.«
    Jetzt verstand ich, warum sie darauf bestanden hatte zu erfahren, wann sich der große Steuermann aufschaltete. Sie war darauf vorbereitet, eine reziproke Transferierung durchzuführen. Dafür musste sie selbst zurück, musste nur von ihrer Liege aufstehen und die Spannung am Modulator über den kritischen Wert hinaus erhöhen. Eine Sache von Sekunden, und doch hätte ihr Plan schiefgehen können. Wenige Augenblicke später wäre ich selbst und nicht mein Doppelgänger im Kugelhagel gestorben.
    »Warum hast du mich nicht eingeweiht?«
    »Das konnte ich nicht, Marc! Hätte ich dir etwas erzählt, hätte er es ebenfalls gewusst.«
    Sie hatte recht. Das war die einzige Möglichkeit gewesen.
    Ein Mann betrat den Raum, auch er in einem grauen Overall. »Wie konnte das passieren?« fragte er. »Marc-2 ist erschossen worden.«
    »Ja, Benny,« antwortete Samantha. »Das war leider unumgänglich. Aber sein Opfer hat sich gelohnt. Er hat unsere Simulation gerettet.«
    »Wir brauchen sie also nicht abzuschalten?«
    »Nein, Benny, wir können weitermachen.«
    Der Techniker, oder wer immer es war, seufzte: »Gott sei Dank! Der Chef wird sich freuen.
    »Kowalski?« entfuhr es mir.
    Benny stutzte, dann lachte er. »Marc, Marc... Du bist ein Witzbold.«
    Samantha runzelte die Stirn und warf mir einen warnenden Blick zu. Ich musste aufpassen, ein falsches Wort konnte den ganzen Schwindel auffliegen lassen.
    »Bist du ok?« fragte Benny. »Du siehst reichlich mitgenommen aus. So ein Tod aus nächster Nähe nimmt einen ganz schön mit, nicht wahr? Besonders, wenn es der eigene ist.« Er lachte. Dann drehte er sich um und ging wieder hinaus.
    »Wer war das?« flüsterte ich.
    »Deine rechte Hand«, gab Samantha zurück. »Bernhard Bischof, genannt Benny.«
    »Verdammt, Samantha, ich schaffe das nie. Ich kenne doch niemanden! Unzählige Gesichter, Biographien, tausend Erlebnisse, von denen ich wissen müsste.«
    »Doch, Marc, du schaffst das. Ich bringe dir alles bei, so viel wie möglich. Und für den Anfang hältst du dich einfach ein bisschen zurück. Vielleicht leidest du an einer kleinen Amnesie. Du weißt ja, biologische Interfaces bergen gewisse Gefahren, besonders, wenn man sie übermäßig nutzt.« Sie schmunzelte. »Vertraue mir!«
    Schwankend stand ich auf, sah erneut an mir herunter. Dann betastete ich mein Gesicht. »Wie sehe ich aus?«
    »Gut, Marc. Du siehst aus wie immer.«
    Sie nahm meine Hand und führte mich ins Bad. Lange besah ich mich im Spiegel. Ja, ich sah aus wie immer. Ich war Marc Lapierre.
    Später fuhren wir hinauf in mein Büro. Es sah aus wie ein beliebiges Büro, doch mein Name stand an der Tür. Ich ging zum Fenster und sah hinaus.
    Aus geringer Höhe blickte ich auf eine Straße, auf einen Platz. Menschen gingen vorbei, Autos fuhren und auch Fahrräder. Bis

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