Der Simulator
auf eine futuristische Straßenbahn war es ein gewohntes Bild, ein Bild, das sich auch in meiner Welt geboten hätte.
Und doch gab es einen Unterschied. Nirgendwo sah man einen Interviewer. Die Menschen gingen gelassen ihres Weges, niemand, der ihnen aufgelauert hätte.
Ich drehte mich um. »Was wird aus ... meiner Welt?« Ja, trotz allem, war es meine Welt, lagen mir ihre Menschen, ihre Reaktionseinheiten, am Herzen.
»Marc, du hast es selbst in der Hand. Verändere sie, verbessere sie, führe Reformen durch. Niemand kennt deine Welt besser als du. Es liegt an dir. Jetzt bist du ihr Gott.«
Ja, ich war zu einem Gott geworden, und ich spürte die ungeheure Verantwortung, die diese Aufgabe mit sich brachte. Aber ich würde alles tun, um ihr gerecht zu werden.
»Zuerst werde ich die Interviewer abschaffen.«
»Ja, vielleicht finden wir dafür eine bessere Lösung. Aber das müssen wir mit dem Aufsichtsrat besprechen.«
»Also bin ich doch kein Gott?«
Sie lachte. »Nun, du bist ein kleiner Gott. Nur der Aufsichtsrat steht über dir.«
Das hatte etwas Tröstliches.
Später schlenderten wir durch die Straßen. Ich sah mich um, betrachtete jedes Details, sog alles in mich auf. Ich hätte stunden-, tage-, wochenlang nichts anderes tun können.
»Und, Marc, wie gefällt dir unsere Welt?«
»Sie ist wunderschön, sie ist so vielfältig, dass es weh tut.«
»Ja, Marc, das ist sie. Und sie gehört uns. Auch wenn wir hier keine Götter sind. Lass uns das Beste daraus machen.« Sie drückte meine Hand. »Eines solltest du noch wissen: Es gibt hier keinen Mond und auch viel weniger Sterne als bei euch.« Sie sah mich an, traurig, wie ich meinte. »Marc hatte sie vor Jahren für mich programmiert. Damals konnte er noch romantisch sein.«
Ja, sie hatte einen Mond verdient, und Sterne, unzählige Sterne. Ich würde sie programmieren, in dieser Welt oder in irgendeiner anderen.
Nachwort
Der eine oder andere unter Ihnen, liebe Leser, hat es sicherlich bemerkt. Dieser Roman bedient sich einer berühmten, wenn auch in Vergessenheit geratenen Vorlage.
Daniel F. Galouye hat im Jahr 1964 sein »Simulacron-2« geschrieben, ein visionäres Werk, das mehrfach verfilmt wurde und Kultstatus erlangt hat. In Deutschland wurde es einer breiten Öffentlichkeit durch den Film Rainer Werner Fassbinders bekannt (»Welt am Draht«, 1973).
Alle gedruckten deutschsprachigen Ausgaben sind mittlerweile vergriffen. Für Exemplare des Goldmann Taschenbuchs von 1965 werden Liebhaberpreise von bis zu 100 Euro bezahlt. Auch ich bin stolzer Besitzer eines solchen Bändchens und erinnere mich an die nächtelangen Diskussionen, die es vor fast 40 Jahren in meinem Freundeskreis ausgelöst hat.
Dies schicke ich voraus, um zu erklären, warum ich mich zu dieser Unternehmung aufgemacht habe. Schon seit einigen Jahren ging mir die Idee durch den Kopf, eine neue und zeitgemäße Fassung dieses Stoffes zu erstellen.
Dafür sprach meine Begeisterung für dieses Werk, der Wunsch, diese faszinierende Geschichte einer heutigen Leserschaft zugänglich zu machen. Aber es sprach auch etwas dagegen. Dagegen sprachen die Stimmen, die ich antizipiert habe und die sich sicherlich bald erheben werden. Man wird mir vorhalten, ich habe mich allzu eng an der literarischen Vorlage gehalten, habe mich allzu großzügig bei ihr bedient.
Und doch finden wir solche Bezüge auf bestehende Werke in vielen Kunstrichtungen. Es gibt Cover-Versionen von Musikstücken und Remakes von Filmen. Auch der Literatur sind Anleihen bei den Klassikern nicht fremd.
Das alles hat mich bewogen, diesen Schritt zu wagen. Schon jetzt bin ich auf die Reaktionen gespannt. Ich wünsche mir ein vielfältiges Pro und Contra. Ich wünsche mir eine lebhafte und fruchtbare Diskussion.
Etwas kann ich Ihnen aber versichern. Bei aller Ähnlichkeit der Plots, Sie werden keinen Satz in meinem Buch finden, der einem aus der literarischen Vorlage auch nur ähnlich wäre. Es handelt sich um eine komplette Neufassung, die auch strukturelle Änderungen und, wie ich finde, Verbesserungen enthält.
Ich hoffe, es ist mir gelungen, ein Buch, das mich seit meiner Jugend fasziniert, in eine inhaltlich und sprachlich zeitgemäße Form zu bringen. Ich hoffe, diesen Stoff damit einem neuen, jungen Publikum zugänglich zu machen. Denn davon bin ich überzeugt: Das Thema und die Hintergründe des Buches sind heute aktueller denn je. Umso größer ist der Verdienst Daniel F. Galouyes, der seine erste Fassung vor fast
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