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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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im Delta. Und Amenemhat von Ipet-Isut war ein Mann, dem Smendes zutraute, diese Versprechen auch zu halten. Ganz anders als seinen beiden Vorgängern auf dem Thron…
    Der Gaufürst verhielt. Was hatte er gerade gedacht? Es war so heiß und stickig, dass seine Gedanken wohl auf unbotmäßige Wege abwichen… Oder war es der Atem der Götter, der gerade durch ihn geweht hatte, um ihm Einsicht zu verleihen? Smendes schluckte und seine Hand zitterte leicht, als er sein Siegel unter den Vertrag setzte. Aber als er den Kopf wieder hob und sein Blick den Amenemhats kreuzte, zerfielen seine Zweifel zu gegenstandslosem Staub.
    „Ich gelobe Treue und Gefolgschaft“, wiederholte er und setzte hinzu: „Dem Sohn Amun-Ras, dem Geliebten der Götter, dem Herrn der beiden Lande. Ich gelobe Treue und Gefolgschaft, dir, meinem König!“ 
    Damit neigte er sich auf den Boden, bis sein Haupt die Erde berührte. Für einen Wimpernschlag herrschte absolute Stille. Dann folgten die Begleiter des Gaufürsten dessen Beispiel und beugten sich nieder. „Heil dem Herrn der beiden Länder, Heil dem Sohn Amun-Ras, Heil dem Pharao!“
    Auch General Sobekemsafs Stimme klang jetzt rau und tief mit den anderen, und schließlich die der übrigen anwesenden Offiziere. Amenemhat vernahm die Worte und konnte doch nicht glauben, was er hörte. Sie erwiesen ihm die königlichen Ehren! Es war der Moment, den er so viele Jahre ersehnt hatte; für den er gekämpft, intrigiert, gemordet hatte! Für den er geglaubt hatte, so gut wie alles aufs Spiel setzen zu können und zu müssen, zu dessen Erreichung er jedes Mittel als gerechtfertigt angesehen hatte! Jetzt war er da – und er fühlte nichts dabei. Nicht einmal Genugtuung, das Ziel endlich erlangt zu haben, keine Freude, nichts. Sein Herz war leer und wie betäubt. Er blickte auf die vor und neben ihm knienden Männer ohne eine Regung. War das die endgültige Strafe, die die Götter ihm vorbestimmt hatten? Ihm zu geben, wofür er so rücksichtslos gegen die Ewigen und gegen die Menschen gefrevelt hatte, und ihm dabei das letzte Gefühl der Freude darüber zu nehmen, jeden winzigen Anteil am Licht? Ihn stattdessen schon jetzt in der Finsternis der Totenwelt wandeln zu lassen, wie einen Schatten auf Erden?! 
    Die königlichen Ehren…
    Die beiden Kronen…
    Amenemhats rechte Hand hatte sich fest um den Knauf seines Dolches geschlossen. Sein ganzer Körper schmerzte vor Anspannung, die plötzliche Lethargie zu besiegen, die Dunkelheit abzuschütteln, die sich auf ihn gesenkt hatte. „Erhebt euch!“ brachte er schließlich hervor. Ob jemandem der Anwesenden auffiel, wie viel Mühe es ihn kostete zu sprechen, wusste er nicht. Falls ja, so schrieben sie es wohl der Anstrengung des Kampfes zu.
    Vielleicht nicht einmal zu Unrecht… antwortete Amenemhat sich selbst auf diese Überlegungen. Ich brauche etwas Ruhe… „Sobekemsaf, Smendes, verkündet den Soldaten, dass wir aufbrechen, wenn die Kühle des Abends gekommen ist!“ fuhr er fort. „Sodann… sucht mir einen Mann, der kräftig genug ist, als Bote voraus zu laufen und die Nachricht von unserem Sieg zu verkünden! Und jetzt… lasst mich allein. Es ist Zeit, Amun zu danken für die Kraft, die er uns gegen die Feinde Kemets verliehen hat. Die er… mir verliehen hat.“ Seltsamerweise fiel ihm der letzte Abschnitt plötzlich schwer. Noch vor einigen Tagen wären ihm diese und ähnliche Worte bedenkenlos über die Lippen gekommen. Er war der Erste Gottesdiener, er kannte den Willen Amuns und Amun hatte ihm die Macht in die Hände gelegt, die er zu gebrauchen hatte, wie es die Notwendigkeit erforderte. War es nicht so?
    Für Kemet…
    Für Waset…
    Die Worte, die er sich so oft wie eine Beschwörungsformel vorgehalten hatte, die sein Kraftspender und Lebenselixier gewesen waren, schmeckten plötzlich bitter wie vergiftetes Wasser. Er wartete keine Antwort ab, sondern stand auf und verließ das Zelt in Richtung des hinter ihnen aufragenden Felsplateaus.

    Debora war aus dem Sattel gestiegen. Ihr Pferd war ohnehin so erschöpft, das ihm bei jedem schnaufenden Atemzug weißer Schaum vom Maul flog. Das Tier an den Zügeln weiter führend setzte sie ihren Weg fort, mit zusammen gebissenen Zähnen gegen die eigenen Müdigkeit ankämpfend. Sie war sicher, bald das Ende der Schlucht erreicht zu haben und auf der anderen Seite die Ebene sehen zu können. Aber genau genommen dachte sie das schon seit dem Morgen! Als von den Felswänden Schritte und wenig

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