Der Sodomit
Ich war wieder etwas, mit dem er umgehen konnte. Ein Patient, der dringend seine Hilfe brauchte.“ Er legte seine Hand auf die Narben, während das Hemd darüber rutschte. „Als ich wieder aufwachte, hatten sie deinen Vater längst eingesperrt. Täglich erreichten mich Gerüchte, doch ich konnte mein Krankenlager lange Zeit nicht verlassen. Der Tag, an dem ich es mit fremder Hilfe schaffte, vor die Schwelle zu treten, war der Tag, an dem dein Vater brannte. Nicht nur du hast seine Schreie gehört.“
Wie sollte er reagieren? In ihm war alles leer. Nicht einmal die Bilder der Flammen wagten sich in seinen Kopf. Mihály war dankbar dafür.
„Josias hat geschafft, was ich damals nicht konnte. Den zu retten, an dem sein Herz hängt. Nichts auf der Welt ist umsonst, und dass ich kein Heiliger bin, muss ich dir nach dieser Geschichte nicht sagen.“
„Aber Josias ist jung! Wie kannst du ihn dazu zwingen …“
„Deine Bedürfnisse über seine zu stellen?“ Fast war sein Lächeln freundlich. „Das musste ich nicht. Für Josias ist es vielleicht keine Freude, sich von fremden Kerlen durchvögeln zu lassen, doch der Junge würde alles tun, um dich vor dem Tod zu bewahren. Bereits am ersten Abend hat er es mir unmissverständlich klargemacht. Und da er als Pferdchen für reiche Gäste am schnellsten zu Geld kommt, stellte sich für ihn die Frage nicht.“ Er neigte sich vor, bis Mihály die Krater in seiner Stirn zählen konnte. „Gib es zu, Szábo. Da unten im Loch, mit den Schreien meines Bruders im Ohr, hättest du jede Hilfe von jedem und zu jedem Preis angenommen. Warum spielst du dich als Moralapostel auf, wo Josias genau das tut, was du wolltest? Dazu hast du kein Recht. Josias macht mir mit keinem Wort und mit keiner Geste Vorwürfe. Er akzeptiert unseren Handel, weil er gerecht ist und du es ihm wert bist.“ Schwer legte sich der Arm des Baders um Mihálys Schultern. „Du bist ihm noch viel mehr wert. Sei dankbar, dass ich nicht gierig bin und die Liebe des Jungen zu dir nicht ausnutze.“
Nein, so einfach kam ihm der Alte nicht davon. „Du hättest deine Schuld an meinem Vater an mir begleichen können. Es war nicht nötig, Josias dazu zu missbrauchen.“
Leske sprang auf, packte ihn an der Kehle und zog ihn hoch. „Ich liebte deinen Vater, Junge. Nicht dich. Und jetzt geh. Ich habe Wichtigeres zu tun, als deinen jämmerlichen Heucheleien zu lauschen.“ Ein Schlag vor die Brust und Mihály stolperte zurück. Der Bader drängte ihn zur Tür und schlug sie vor seiner Nase zu. Dahinter wimmerte Barti erschrocken auf, Leske redete beruhigend auf ihn ein.
Plötzlich wich das bisschen Kraft aus Mihálys Beinen. Die Treppenstufe fing seinen Fall auf. Leske hatte recht. Auf eine vollkommen unmoralische Weise, die dennoch griff. Er hasste es, wollte es nicht wahrhaben. Aber was schuldete ihm der Bader? Nichts.
Doch musste es Josias sein? Hätten sie nicht … Nein, einen Schicksalstausch zu ersehnen, wäre mindestens ebenso grausam.
„Ich mache es wieder gut.“ Er sprach zu seinen nackten Füßen und stellte sich dabei Josias’ schlafendes Gesicht vor. Er saß auf der Treppe, bis er vor Kälte schlotterte.
Hoch, ins Bett zu dem Mann, dem er sein Leben verdankte. Josias blinzelte träge, als neben ihm die Decke angehoben wurde. „Wo warst du? Geht es dir gut?“
„Ja.“ Dank dir. „Schlaf weiter.“
Josias Arme umfingen ihn, ebenso wie das Schaudern des Jungen. „Du bist eiskalt“, nuschelte Josias an Mihálys Hals. „Du hättest aus dem Fenster pinkeln können.“
Josias Wärme war wundervoll. Mihály drückte sich an sie, genoss das Prickeln, als sie zu ihm übersprang. Fast sehnte er sich, seine Härte an seinem Hintern zu spüren. Fast wollte er, dass Josias gegen ihn drückte, bis die festen Muskeln nachgaben. Doch Josias schlief längst wieder.
„Ich liebe dich“, flüsterte er in die Dunkelheit. Josias brummte im Schlaf.
Epilog
Leske saß mit grauem Gesicht in dem Zuber der kleinen Badestube. Vor ihm auf dem Servierbrett standen ein Krug und ein Becher. Aus dem Wasser stieg kein Dampf aus.
Josias hielt die Hand in den Zuber. Gerade mal lauwarm.
„Komm da raus, Meister. Du holst dir was weg und das bringt deinen Bruder nicht zurück.“ Bartis Tod setzte Leske von Tag zu Tag mehr zu.
Mihály hatte alles versucht, was in seiner Macht stand. Hatte Tag und Nacht am Bett des Apothekers verbracht und zumindest die äußeren Verletzungen versorgt. Doch was das Fieber in
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