Der Sohn des Alchemisten
herstellen?« Marie starrte ungläubig auf die merkwürdigen Zeichen.
»Da schaust du, was? Fühlst du dich nicht geehrt, mit mir unterwegs sein zu dürfen?«
»Dann lass uns doch Gold machen!« Marie überhörte seinen gönnerhaften Tonfall.
»Ja nun«, druckste Jakob herum. »Leider gibt es ein Problem. Diese ganze Schrift ist ziemlich verdreht und verschlüsselt und die Hälfte der Rezeptur ist völlig unverständlich.Nicht einmal mein Vater, der beinah alle alchemistischen Schriften dieser Welt gelesen hat, weiß damit etwas anzufangen. Tja.«
Jakob blätterte vorsichtig um und Marie konnte eine reich verzierte Sonne erblicken, darunter eine sich windende Schlange.
»Unheimlich«, sagte sie. »Aber was ist denn nun der Stein der Weisen und warum will dein Vater ihn herausdestillisieren, was immer das heißt? Ich würde ja lieber Gold machen.«
»Weil du keine Ahnung hast«, sagte Jakob. »Der Stein der Weisen ist viel mehr wert als schnödes Gold!«
Marie kam sich immer dümmer vor. »Warum denn? Was kann er denn?«
»Das hat mir mein Vater eigentlich auch noch nie so richtig erklärt«, gab Jakob zu. »Wenn ich mir die Dinge richtig zusammenreime, dann vermuten die einen, dass der Stein seinen Besitzer steinalt werden oder sogar ewig leben lässt. Andere sagen wieder, er verleihe unendlichen Reichtum, weil er dazu dient, Gold herzustellen. Auf jeden Fall ist er der Schlüssel zu den tiefen Geheimnissen der Welt, sagt mein Vater. Obwohl er natürlich den Stein der Weisen auch noch nicht gebraut und destilliert hat –«
»Soso, ihr habt also auch den Weg zur Herberge gefunden!« Ein langer Schatten fiel auf das geheimnisvolle Buch. Jakob schlug es erschrocken zu. Vor ihnen stand einer der Straßburger, derjenige, den sie Gerwald genannt hatten.
»Keine Sorge«, grinste Gerwald, »der dicke Ludwig liegt schon auf seinem Strohsack und schnarcht. Er war vorhin etwas ruppig, nicht wahr?«
Jakob und Marie nickten und sahen mit Schrecken, dass sich Gerwald einen Schemel holte, um sich zu ihnen zu setzen.
»Das dürft ihr ihm nicht übel nehmen, unserem Ludwig«, fuhr Gerwald fort. »Schließlich lauert auf dem Weg des heiligen Jakobus tatsächlich allerhand Gesindel und er ist ein wenig schreckhaft. Und ihr zwei, ihr müsst verzeihen, seht wirklich nicht aus wie richtige Pilger.«
Jakob verzog das Gesicht. »Warum denn nicht, bitte schön? Ich habe sogar einen Pilgerstab.«
Gerwald schlug ihm auf die Schulter und lachte. »Dir fehlt der Bart, Junge. Ganz einfach. Was wollt ihr denn auf dem großen Pilgerweg? Macht ihr auch eine Dankeswallfahrt, weil euch die Pest verschont hat?«
Jakob schüttelte den Kopf und deutete auf das Buch. »Kennt Ihr Nicholas Flamel? Das hier ist sein – autsch!«
Marie hatte ihm einen Tritt ans Schienbein gegeben und sah ihn warnend an.
»Wir suchen ihn«, fuhr sie statt Jakob fort.
»Richtig, richtig, ihr habt ja vorhin schon nach ihm gefragt. Woher kennt ihr ihn denn?« Gerwald schien nichts bemerkt zu haben. »Mir ist nämlich eingefallen, warum mir der Name schon vorhin so bekannt vorkam! Ich habe einen entfernten Verwandten, der in Paris wohnt und der von diesem merkwürdigen Gelehrten erzählt hat. Er soll jabeinah schon Gold hergestellt haben – aus Mist oder Blei, habe ich gehört.«
Jakob sah geschmeichelt aus. »Genau! Zwar nicht aus Mist, aber jetzt ist er auf dem besten Weg – autsch!«
Er rieb sich das Schienbein und warf Marie einen missmutigen Blick zu. Sie legte den Finger auf die Lippen.
»Was tut dir denn weh, mein Junge?«, fragte Gerwald erstaunt.
»Flöhe wahrscheinlich«, mischte sich Marie ins Gespräch. »Mich stechen sie auch schon den ganzen Abend!«
Gerwald sah nachdenklich von Jakob zu Marie, dann blieb sein Blick an dem zugeschlagenen Buch auf dem Tisch hängen, auf das Jakob möglichst unauffällig seine Hand gelegt hatte.
»Für zwei Kinder habt ihr erstaunliche Kostbarkeiten bei euch«, meinte er neugierig. »Ein solches Buch habe ich noch nie gesehen. Aber natürlich, Bekannte des gelehrten Flamel, die haben natürlich gewisse Bücher dabei –«
Er warf Jakob einen durchdringenden Blick zu.
»Das ist unser Gebetbuch für den langen Pilgerweg«, sagte Marie etwas zu eifrig. »Habt Ihr in Straßburg etwa so etwas nicht?«
»Ein Gebetbuch?« Gerwald schien nachzudenken. »Flöhe und Gebetbücher. Mhm. Du willst mir doch nicht weismachen, dass ihr –«
In diesem Augenblick erschien der Mönch an ihrem Tisch. In der Hand
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