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Der Sohn des Alchemisten

Der Sohn des Alchemisten

Titel: Der Sohn des Alchemisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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»Hättest du – vielleicht – bitte – ich meine, hättest du vielleicht ein Ei? Ein klitzekleines Ei?«
    Marie überlegte. Sie war schließlich nur die Magd auf der Mühle und der Müller war ein harter Mann. Sie wollte keine Schläge riskieren. Aber andererseits sollte man ja den Armen helfen und Almosen geben. Und dieser Junge kam ihr ziemlich arm vor. Schließlich hatte er schon drei Überfälle hinter sich und war recht zerkratzt.
    »Gut, ein Ei bekommst du«, entschied sie.
    Der Junge griff gierig danach.
    »Halt«, bremste ihn Marie und hielt das Ei in die Luft. »Bevor du es isst, musst du mir erst einmal sagen, wie du heißt!«
    »Jakob natürlich«, sagte Jakob ungeduldig, dann schnappte er sich das Ei, pikste es an und schlürfte es aus.
    Jakob natürlich? Marie musste lachen. Der Kerl meinte wohl, alle Welt müsste ihn kennen!
    »Jakob Flamel«, sagte Jakob, wischte sich den Mund ab und blickte Marie erwartungsvoll an. »Aus Paris. Du weißt schon!«
    »Nein«, antwortete Marie, denn sie wusste weder etwas von Paris noch hatte sie jemals von einer Familie namens Flamel gehört.
    »Paris! Die große Stadt! Da komm ich her! Hast du noch ein Ei?«
    Marie zögerte, dann reichte sie diesem Jakob Flamel aus Paris noch ein zweites Ei hinüber. Der Müller konnte ja nicht wissen, wie viele Eier seine Hühner heute gelegt hatten. Hoffte sie zumindest.
    »Gehst du allein als Pilger nach Santiago?«, fragte Marie vorsichtig, denn immer noch kam ihr die ganze Geschichte ziemlich komisch vor.
    Jakob zog ein sorgenvolles Gesicht. »Nein«, sagte er zwischen zwei Schlucken aus dem Ei, »natürlich nicht. Ich begleite meinen Vater. Mensch, der macht sich jetzt sicher wahnsinnige Sorgen, weil er nicht weiß, wo ich stecke. Vielleicht glaubt er, die Räuber hätten mich verschleppt! Dabei bin ich doch nur vom Maultier gefallen, als siekamen. Und dann ist mir alles schwarz vor Augen geworden. Als ich wieder zu mir kam, waren alle weg! Mein Vater auch!«
    »Das ist ja furchtbar!«, sagte Marie.
    Jakob nickte und griff sich noch ein drittes Ei, diesmal ohne zu fragen. Marie blickte ängstlich nach der Mühle. Wenn der Müller sie erwischte, würde es Ärger geben! Sie war doch sowieso kaum geduldet!
    »Ja, wirklich furchtbar!«, schmatzte Jakob. »Und mindestens genauso viel Sorgen wie um mich wird er sich auch um unser Buch machen, denn das steckt bei mir in der Tasche! Er wird denken, dass die Räuber es geschnappt haben, und dann wäre unsere ganze Reise umsonst! Und nicht nur das, seine ganze Arbeit! Aber das Buch ist nicht verloren! Ich habe es! Nur – davon darf natürlich keiner wissen   –« Jakob hielt erschrocken inne. »Ich Idiot! Jetzt hab ich dir von dem Rindenbuch erzählt!«
    »Das bei dir in der Tasche steckt?«, fragte Marie.
    »Hab ich das etwa auch noch gesagt?«, rief Jakob aufgeregt. »Vergiss es! Vergiss es einfach! Es ist ein Geheimnis. Zeig mir lieber, wie ich wieder auf den richtigen Weg Richtung Santiago de Compostela komme, dann kann ich mich auf die Suche nach meinem Vater machen!«
    In diesem Augenblick drang ein Gebrüll aus der Mühle zu den beiden Kindern herüber: »Marie! In drei Teufels Namen, wo bleiben die Eier!«
    Das war er, der Müller! Jakob schaute erschrocken auf, schließlich konnte er als weit gereister Pilger aus demfernen Paris nicht wissen, wie es in der Mühle im Erlenschlag zuging. Der Müller war für seine Wutausbrüche im ganzen Tal bekannt, und für seine harten Schläge auch. Marie hatte er nur als Magd aufgenommen, weil sie die Tochter seiner Cousine war, die in dem Hungerwinter vor zwei Jahren gestorben war, genau wie ihr Vater.
    »Schnell!« Eilig schob Marie Jakob in den Schatten des Holunderbuschs. »Der Müller bekommt dich besser nicht zu Gesicht! Ich muss jetzt schleunigst in die Küche, aber danach zeige ich dir den Weg hinauf zu den Dörfern, wo öfter Pilger vorbeikommen. Versteck dich inzwischen!«
    »Bin schon weg«, nickte er folgsam und setzte sich mit Schwung. Kracks! Es gab ein eigenartiges Geräusch, eine Mischung aus Knacksen, Knirschen und Blubbern.
    Marie hielt den Atem an. Wo die frischen Eier im Korb gelegen hatten, war jetzt nur noch Rührei! Und mittendrin saß Jakob.
    »Hoppla«, war alles, was ihm einfiel. Vor lauter Erstaunen blieb er erst einmal sitzen. »Jetzt kann ich’s bald nicht mehr an einer Hand abzählen! Erst bin ich vom Maultier gefallen, dann hab ich mich in einen Ameisenhaufen gesetzt, der Sumpf, der Misthaufen und jetzt

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