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Der Sohn des Alchemisten

Der Sohn des Alchemisten

Titel: Der Sohn des Alchemisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hielt er einen Tontopf.
    »Es hat etwas gedauert, mein Junge«, sagte er, »aber jetzt kann ich deinen müden Füßen helfen.«
    »Rutscht einmal zur Seite, werter Herr«, wandte er sich an Gerwald, »ich denke, Ihr habt sowieso nichts mit unseren zwei jungen Pilgern hier zu schaffen, oder etwa doch?«
    »Ich?« Gerwald kratzte sich am Bart. »Nun, die beiden haben von einem interessanten Gebetbuch erzählt und das würde ich mir gerne einmal näher anschauen.«
    »Das dort auf dem Tisch?« Der Mönch hatte sich Jakobs Füße auf die Knie gelegt und rieb sie mit einer fettigen Salbe ein, von der ein herber Geruch ausging. Ohne aufzuschauen, fuhr er fort: »Das kenne ich. Solche Gebetbücher aus Birkenrinde fertigen die Brüder in Burgos hinter der Kathedrale. Ein paar habe ich auf Vorrat. Wenn Ihr eins kaufen wollt, dann gebt mir zwei Silberpfennige.«
    Marie blickte den Mönch überrascht an, aber der schmierte konzentriert einen zweiten Batzen Salbe auf Jakobs wunde Füße.
    »Kaufen?« Gerwald blickte unschlüssig von dem Buch auf dem Tisch zu Marie und dann wieder zum Mönch. »So ist es wirklich ein Gebetbuch? Pah! Ich kann kaum lesen – da werde ich mir nicht für teures Geld ein Buch kaufen, nein danke. Flöhe! Gebetbücher! Na, meine Lieben, mehr als den Namen Flamel kenne ich auf jeden Fall nicht. Wenn ihr ihn sucht, kann ich euch auch nicht weiterhelfen.« Ächzend stand er auf. »Ich will mir mal anschauen, ob du mir frisches Stroh auf das Lager gekippt hast, Mönch.«Mit diesen Worten stapfte Gerwald zur Treppe, die ins Obergeschoss führte.
    »Das ist kein Gebetbuch aus Burgos«, widersprach Jakob, als der Straßburger außer Hörweite war.
    »Nicht? Kam mir aber beinah so vor«, grinste der Mönch und verschloss den Tontopf wieder mit einem Korken. »So, über Nacht werden deine Füße wieder wie neu, du wirst sehen.«
    »Danke«, murmelte Jakob verlegen.
    »Ach ja«, sagte der Mönch im Aufstehen und wandte sich an Marie. »Mädchen, pass auf deinen kleinen Freund hier auf, er ist allzu freizügig. In einem Hospiz gibt es viele neugierige Blicke und nicht nur ehrliche Leute. Mich«, er betonte das ›mich‹, »mich interessiert dieses Buch dort nicht. Aber ich kann von meinem Suppenkessel aus erkennen, dass die Zeichen darauf auf die königliche Kunst der Alchemie verweisen.«
    Marie schwieg betroffen.
    »So ein Buch voller Geheimnisse lockt Neugierige an«, fuhr der Mönch leise fort. »Wer würde nicht gern einen Schlüssel zum Innersten der Welt haben? Oder gar die Kraft, Gold herzustellen? Ganz zu schweigen vom Stein der Weisen.«
    »Aber woher wisst Ihr   –«
    »Ruhig, mein Junge, ich weiß nichts und ich will nichts wissen. Aber ich kann mir eins und eins zusammenreimen und ich weiß, dass es nicht nur ehrliche Leute auf diesem Pilgerweg gibt! Behaltet meine Worte im Herzen!«
    »Das war knapp«, murmelte Jakob zerknirscht, als der Mönch mit seinem Salbentopf in der Hand in einer Kammer verschwunden war. »Schon wieder hätte ich beinah alles ausgeplaudert. Mein Vater würde schimpfen!«
    Marie schob das Buch vom Tisch. »Pack es schnell wieder ein.«
    Nachdenklich schaute sie zu, wie sich nach und nach die Pilger von den Tischen erhoben und mit müden Gesichtern zu ihren Strohmatten im Obergeschoss wankten. »Ei nes verstehe ich noch nicht«, fragte sie schließlich. »Wa rum bitte schön nehmt ihr, dein Vater und du, dieses kostbare Buch über den Stein der Weisen mit auf eure Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela? Soll es euch etwa der heilige Jakobus entschlüsseln?«
    »Der heilige Jakobus nicht, von dem sind ja nur noch die Knochen übrig«, erwiderte Jakob. »Aber es gibt in Santiago einen Mann und der ist wahrscheinlich der Einzige, der die Geheimworte des Buches übersetzen kann. Ein alter Jude, von dem mein Vater gehört hat und der ebenfalls zur Zunft der Alchemisten zählt.«
    »Diese Alchemisten gibt es auf der ganzen Welt?«, fragte Marie.
    »Suchende gibt es überall«, sagte Jakob würdevoll. »Mein Vater kennt Anhänger der königlichen Kunst aus Arabien, aus England und sogar aus Griechenland.«
    Marie musste auf einmal lachen. »Aber dann bist du ja gar kein echter Pilger! Du bist ein Scharlatan, der gar nichtzum heiligen Jakobus will, sondern zu irgendeinem alten Gelehrten! Ha!«
    Jakob wurde rot. »Nicht zu irgendeinem alten Gelehrten, sondern zu dem ehrenwerten Meister Canches! Am Festtag des heiligen Jakobus, so wurde uns gesagt, wird er auf jeden Fall in der Stadt

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