Der Sohn des Apothekers (German Edition)
wegzuziehen. Er
sprach von einer Spezialklinik in Hannover, einer Institution, die an die
Psychiatrie in Langenhagen angegliedert war und in der Kinder und Jugendliche
untergebracht waren, die an den gleichen Symptomen litten wie Paula. Es war
aufgebaut wie ein Internat und es fand sogar regulärer Unterricht statt, so
dass Paula weiter an ihrem Abitur arbeiten könne.
Anfänglich stand Trevisan diesem Gedanken skeptisch gegenüber,
doch nach dem er sich eingehend damit befasst hatte – er war zu dieser Zeit
krankgeschrieben – freundete er sich mit dem Gedanken an, zumal die Klinik bei
ihren Patienten mit ausgezeichneten Heilerfolgen aufwarten konnte. Einziges
Manko an dieser Geschichte war, dass die Krankenkasse nur einen Teil der
Behandlungskosten übernahm und er monatlich beinahe zweitausend Euro beisteuern
musste.
Genau zu diesem Zeitpunkt starb Onkel Herbert, Trevisans Patenonkel,
der in Cuxhaven gelebt hatte, alleinstehend gewesen war und es als
Geschäftsführer und Inhaber einer Import-Export-Kette zu einem sehr ansehnlichen
Guthaben gebracht hatte. Für Trevisan war dies ein Wink des Schicksals. Er
bewarb sich um einen Platz für Paula in der Langenhagener Klinik und erhielt
bald eine Zusage.
Es war ein tränenreicher Tag, als er Paula im Klinikgebäude,
einem ehemaligen Bauernhof, ablieferte. Hinzu kam, dass er sie in der
achtwöchigen Eingewöhnungsphase nicht besuchen und auch sonst keinen Kontakt zu
ihr haben durfte.
Trevisan hatte diese Zeit gut genutzt. Er trat seine dreiwöchige
Kur in Bad Bergzabern an und ersuchte seine Dienststelle um Abordnung nach
Hannover. Kriminaloberrat Beck und die Kriminaldirektorin Schulte-Westerbeck
setzten sich sehr für ihn ein, so dass er zunächst für ein Jahr zum
Landeskriminalamt abgeordnet wurde. Sein neues Tätigkeitsfeld im Dezernat 32
umfasste die Ermittlungen nach Vermissten, die Identifizierung unbekannter
Toter und die Überprüfung von ungelösten Fällen aus dem ganzen Land auf neue
Anhaltspunkte und Ermittlungsansätze und war ein typischer Bürojob. Mittlerweile
war er in eine Vierzimmerwohnung in Davenstedt gezogen, einem ruhigen Stadtteil
von Hannover, wo er Paula nahe sein konnte. Schon die ersten Monate ihres
Aufenthalts hatten eine Besserung ihres Zustandes zur Folge, so dass sie
mittlerweile zweimal im Monat das Wochenende bei Trevisan verbringen durfte.
Heute war er nach Sande zurückgekehrt, um dieses Kapitel
endgültig abzuschließen und das kleine Reihenhaus an eine junge Familie zu
verkaufen, die sich für den fairen Preis und Trevisans Entgegenkommen nach dem
Notartermin mit einem Essen revanchiert hatte. Aber der Abend sollte seinem
langjährigen Freund Peter Koch vorbehalten bleiben, denn schon morgen würde er
wieder nach Hannover zurückkehren, um seiner neuen Tätigkeit nachzugehen.
Peter hatte zwei weitere Biere bestellt und klopfte Trevisan
aufmunternd auf die Schulter. »Du schaffst das schon«, sagte er. »Du hast schon
ganz andere Dinge geschultert.«
Trevisan griff nach dem Bier und prostete Peter zu. »Dein Wort
in Gottes Ohr.«
»Und wie läuft es bei der Arbeit?«
Trevisan lächelte. »Ich kann
noch nicht viel dazu sagen. Ich bin vorerst nur vier Stunden im Büro und wurde
durchs Haus geschickt, um die Abteilungen kennenzulernen. Berufliches Eingliederungs-Management
nennt sich das. Soviel ich bislang mitbekommen habe, geht es in meiner neuen
Abteilung hauptsächlich darum, Bilder von Vermissten auf Milchtüten zu kleben
und auf die drei Birken im Hof zu achten, damit sie nicht weglaufen. Ich muss
erst einmal die Leute dort richtig kennenlernen. Bislang bin ich in meiner
neuen Abteilung nur auf eine junge, flippige Kollegin gestoßen, die sich den
ganzen Tag ihre Fingernägel manikürt. Ich glaube, mir wird schon ein klein
wenig die Arbeit auf der Straße fehlen.«
»Vielleicht ist das trotzdem ganz genau das Richtige für dich.
Du hattest schließlich ein Burnout-Syndrom.«
»Ich komm schon wieder auf die Beine. War einfach alles zu
viel. Paula, die Arbeit und die Sache mit Angela. Na ja, zumindest Paula kommt
wieder langsam in Schwung. Sie hat in der letzten Mathearbeit eine glatte Eins
geschrieben. Wenn sie so weitermacht, dann wird sie mir langsam unheimlich.«
»Hast du wieder mal was von Angela gehört?«
Trevisan nickte. »Sie hat vor drei Wochen angerufen.«
»Sie hat deine neue Nummer?«
»Auf dem Handy, sie ist in Kanada und jagt Grizzlybären mit der
Kamera.«
»Wird das wieder mit euch
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