Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger
uns aufwärmen können.«
Zwei Zelte? Ein Dutzend waren es noch im Sommer gewesen, die vielen Nebenzelte nicht mitgerechnet - und nun fanden alle Hakul vom Klan der Schwarzen Berge Platz in zwei Zelten? Awin wurde wieder schmerzhaft bewusst, wie viel sie verloren hatten.
»Bist du das, junger Seher?«, fragte Telia, als Awin das wärmende Zelt betrat. Telia war die Mutter des dicken Bale, die bei weitem älteste Frau des Klans, mit einem Gesicht, das nur aus Runzeln zu bestehen schien. Awin beantwortete ihre Frage mit einem Nicken.
»Mein Urenkel Mabak hat mir viel von dir erzählt. Und ich habe von dir geträumt, letzte Nacht.«
»Von mir?«, fragte Awin überrascht.
»Von dir und einem Mädchen mit weißer Haut. Ihr habt ein mächtiges Tor aufgestoßen. Und dann habt ihr die Welt in Brand gesetzt.« Sie sah ihn bei dieser Bemerkung scharf an. Dann fiel ihr das Kinn auf die Brust, und sie war eingeschlafen. Awin wusste nicht, was er davon zu halten hatte. Er schüttelte den Kopf. Vermutlich bedeutete es gar nichts. Wahrscheinlich hatte Mabak, ihr Urenkel, von Merege erzählt, dem Mädchen mit der hellen Haut. So musste es sein. Gesehen haben konnte sie die Kariwa nicht, denn Merege war draußen bei den Pferden geblieben.
»Was für ein Tor meint sie?«, fragte Wela, die zugehört hatte.
»Ich weiß nicht«, antwortete Awin. »Wahrscheinlich hat sie von dem Tor in Serkesch gehört. Mabak könnte ihr davon erzählt haben.« Awin redete sich ein, dass es so sein musste, aber er war ein Seher und wusste auch, dass Tengwil den Sterblichen
manchmal Botschaften in Träumen sandte. So ein Traum war es ja auch gewesen, der ihn und seine Klanbrüder nach Serkesch geführt hatte. Dennoch, warum sollte Tengwil ausgerechnet der alten Telia vom großen Daimonentor am Rande der Welt erzählen? Warum ihr, warum nicht ihm?
Awin wurde abgelenkt, denn die Kinder waren ihm und den anderen in das Zelt gefolgt, und sie hatten viele Fragen zu den Wundern der Fremde. Es waren sieben, Mädchen und Jungen, die lachten, wenn Awin immer wieder darüber staunte, wie groß sie seit seinem Aufbruch geworden waren. Er lachte mit, denn er wollte gar nicht daran denken, was mit den anderen geschehen war. Auch in den Augen dieser sieben sah er noch den Schrecken Slahans. Ihm gegenüber waren sie offen, vor Merege jedoch, die endlich das Zelt betrat, wichen sie scheu zurück. Die Kariwa nahm es mit dem ihr eigenen Gleichmut hin. Bald darauf erschien ein fremder Hakul im Zelt. »Ich suche die Männer, die den Lichtstein zurückgebracht haben.«
»Das sind wir«, erklärte Curru heiser. Er hatte die ganze Zeit still in einem Winkel des Zeltes gesessen und sich nicht auf die Fragen der Kinder eingelassen. Seit er erfahren hatte, dass Egwa tot war, schien er um Jahre gealtert.
»Yaman Uredh vom Klan der Schwarzen Faust und Yaman Brediak vom Schwarzen Horn rufen euch zu Strydhs Felsen. Zu Beginn der Dämmerung wollen wir beraten. Es gibt viele Fragen, vor allem an euch, Männer der Berge.«
»Und die können sie nicht im warmen Inneren eines Zeltes stellen?«, fragte Curru ungehalten.
»Ich glaube nicht, dass irgendein Zelt die vielen Männer fassen könnte, die hören wollen, was ihr zu berichten habt«, antwortete der Hakul und fuhr fort: »Und die vor allem beraten wollen, was nun mit dem Stein zu geschehen hat.«
Als der Mann gegangen war, erhob sich Curru mit finsterer Miene. »Überlasst mir das Reden. Der Heolin ist in unsere Obhut gegeben worden. Wir werden über ihn entscheiden, und kein Yaman eines anderen Klans soll sich dabei einmischen.«
Awin warf einen schnellen Seitenblick zu Merege, die auf einem Kissen saß und einen heißen Kräutersud trank. Beinahe schien es, als würde sie nicht auf das achten, was um sie herum vorging, aber ihre blassblauen Augen hatten sich doch ein wenig verengt. Awin fragte sich, was sie tun würde, wenn Curru versuchen sollte, den Lichtstein an sich zu bringen. Erneut wurde die Abdeckung des Eingangs zurückgeschlagen. Gregil und Eri betraten das Zelt. »Ihr habt gehört, dass die Yamane zur Beratung rufen?«, fragte die Yamani.
»Wir haben es gehört«, antwortete Tuge.
»Ich denke, wir sollten uns zuvor einig sein, wie wir die Schwäche unseres Klans mindern wollen«, erklärte Gregil.
»Dieser Klan braucht einen neuen Yaman«, fügte Eri hinzu.
»Eri hat recht«, pflichtete Curru ihm schnell bei. »Eine Sippe ohne Oberhaupt wird in den Augen der anderen Klans wenig Anerkennung finden.
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