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Der Sohn des Wolfs

Der Sohn des Wolfs

Titel: Der Sohn des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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zu bringen. Ruth kehrte zu ihrem Manne zurück, während Malemute Kid einen der Hunde, dem die Axt den Kopf zerschmettert hatte, abzog. Alles wurde sorgfältig beiseite gelegt, nur die Haut und die Eingeweide wurden den andern Hunden vorgeworfen.
    Der Morgen brachte neue Schwierigkeiten. Die Tiere kehrten sich gegeneinander. Carmen, die nur noch mit einem schwachen Faden am Leben hing, wurde von der Koppel angegriffen. Sie kümmerten sich nicht um die Peitsche. Sie krochen heulend unter den Schlägen zusammen, ließen sich aber nicht auseinandertreiben, ehe der letzte elende Bissen verschwunden war – Knochen, Haut, Haare, alles.
    Malemute Kid ging an seine Arbeit, während er den wilden Reden Masons lauschte, der wieder mit den Kameraden anderer Zeiten in Tennessee war.
    Er wählte einige Kiefern in der Nähe und arbeitete schnell. Ruth beobachtete ihn, wie er einen Steinhaufen errichtete, so wie die Jäger zuweilen tun, um ihr Fleisch gegen Wölfe und Hunde zu schützen. Er bog die Wipfel von zwei kleinen Kiefern gegeneinander und fast bis zum Boden herab und band sie mit Riemen aus Elchshaut aneinander. Dann schlug er die Hunde, bis sie zahm wurden, und spannte sie vor zwei von den Schlitten, auf die er alles lud mit Ausnahme der Felle, in die Mason gehüllt war. Die wickelte er dicht um ihn und schnallte sie mit Riemen fest, deren Enden er an den herabgezogenen Kiefern befestigte. Ein einziger Schnitt mit dem Messer mußte die Bäume befreien und den Körper des Mannes hoch in die Luft schnellen lassen.
    Ruth hatte den letzten Wunsch ihres Mannes erfahren und widersetzte sich nicht. Die Ärmste hatte die Kunst des Gehorchens zur Genüge gelernt. Von Kind an hatte sie sich wie alle Frauen, die sie kannte, vor dem Herrn der Schöpfung gebeugt, und es kam ihr gar nicht in den Sinn, daß Frauen ungehorsam sein konnten. Kid erlaubte ihr, sich ein einziges Mal ihrem Kummer hinzugeben, als sie ihren Mann küßte, ein Brauch, den ihr eigenes Volk nicht kannte. Er führte sie dann zu dem ersten Schlitten und half ihr in die Schneeschuhe. Blindlings, ganz instinktiv, ergriff sie die Steuerstange und Peitsche und setzte die Hunde in Gang. Kid kehrte zu Mason zurück, der eingeschlummert war, und lange, nachdem sie verschwunden war, saß er noch am Feuer, wartete, hoffte und betete, daß sein Kamerad sterben möchte. Es ist nicht gut, mit traurigen Gedanken allein im weißen Schweigen zu sein. Die Stille der Finsternis ist warmherzig, schützt uns und atmet tausend unfaßbare Sympathien; aber die helle weiße Stille, die klar und kalt unter stahlgrauen Wolken liegt, ist unbarmherzig.
    Eine Stunde verging – zwei Stunden, aber der Mann wollte nicht sterben. Gegen Mittag warf die Sonne, ohne ihren Rand über den südlichen Horizont zu erheben, einen Lichtschein über den Himmel, um dann schnell wieder hinabzugleiten. Malemute Kid stand auf und schleppte sich zu seinem Kameraden. Er warf einen Blick um sich. Das weiße Schweigen schien ihn zu höhnen, und ein großer Schrecken überkam ihn. Ein scharfer Knall, Mason schwang in seinem luftigen Grabe, und Malemute Kid peitschte auf die Hunde los, daß sie in wildem Galopp über den Schnee jagten.

 
Der Sohn des Wolfs
     
     
     
    Männer schätzen ihre Frauen selten gebührend ein, wenigstens nicht, ehe sie sie verloren haben. Der Mann weiß nicht die wunderbare Atmosphäre zu schätzen, von der die Frau umgeben ist, solange er darin lebt; nimm sie ihm aber, und eine stets wachsende Leere beginnt sich in seinem Dasein zu offenbaren, und ihn überkommt eine Art Hunger, etwas so Unbestimmbares, daß er es nicht ausdrücken kann. Haben seine Kameraden nicht mehr Erfahrung als er selber, so werden sie verständnislos den Kopf schütteln und ihm schwere körperliche Arbeit auferlegen. Aber der Hunger wird zunehmen; der Mann wird das Interesse für die Begebenheiten des täglichen Lebens verlieren und kränkeln, bis er eines schönen Tages, wenn das Gefühl der Leere unerträglich geworden ist, eine Erleuchtung hat.
    Geschieht das im Yukonland, so befrachtet der Mann, wenn es Sommer ist, gewöhnlich einen Prahm oder schirrt, wenn es Winter ist, seine Hunde an und steuert nach Süden. Einige Monate später kehrt er dann, wenn er überhaupt Vertrauen zu dem Lande gewonnen hat, mit einer Frau wieder, die dies Vertrauen oder – was auch vorkommt – die Gefahren und Enttäuschungen mit ihm teilen kann. Dies soll nur dazu dienen, den Egoismus des Mannes zu zeigen. Es bringt uns aber

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