Der Sohn des Wolfs
gemacht hatten, die Gesetzgeber, deren Blut ich trug, und deren Blut auch durch das Ungas mit mir verbunden war. Ja, und Yash-Noosh wanderte mit mir, nassen Sand im Haar und in der Hand noch den Kriegsspeer haltend, der zerbrach, als er auf ihn fiel. Und ich wußte, daß die Zeit gekommen war, und sah das Versprechen in Ungas Augen.
Wie gesagt, so kamen wir durch den Wald, bis wir den Geruch vom Lagerrauch spürten. Da beugte ich mich über ihn und riß ihm die Schneehühner aus dem Munde. Er drehte sich auf die Seite und blieb liegen; und Verwunderung stieg in seine Augen, und die Hand, die zu unterst war, glitt langsam zu dem Messer an seiner Hüfte. Aber ich nahm es ihm fort und lächelte dicht vor seinem Gesicht. Selbst jetzt verstand er noch nichts. Da tat ich, als tränke ich aus schwarzen Flaschen, als errichtete ich hoch über dem Schnee einen Haufen von Gütern und als geschähen alle Dinge jetzt, die an meinem Hochzeitsabend geschehen waren. Ich sprach kein Wort, aber er verstand. Noch war er unerschrocken. Um seine Lippen lagen Spott und kalter Zorn, und mit seinem Wissen erhielt er neue Kraft. Der Weg war nicht weit, aber der Schnee war tief, und er schleppte sich sehr langsam vorwärts. Als er einmal lange still dalag, drehte ich ihn um und blickte ihm in die Augen. Und zuweilen sah es aus, als könne er nicht weiter, und zuweilen schien er zu sterben. Als ich ihn aber losließ, schleppte er sich weiter. So kamen wir zum Feuer. Sofort war Unga neben ihm. Seine Lippen bewegten sich lautlos; dann zeigte er auf mich, damit Unga verstünde. Und hierauf lag er im Schnee, sehr still, sehr lange. Und noch jetzt liegt er im Schnee.
Ich sagte kein Wort, ehe ich die Schneehühner gekocht hatte. Dann sprach ich sie an in ihrer eigenen Sprache, die sie seit vielen Jahren nicht gehört hatte. Sie fuhr hoch, ihre Augen waren vor Verwunderung weit aufgerissen, und sie fragte, wer ich sei, und wo ich diese Sprache gelernt hätte.
›Ich bin Naass‹, sagte ich.
›Du?‹ sagte sie. ›Du?‹ Und sie kroch dicht zu mir, daß sie mich sehen konnte.
›Ja‹, antwortete ich; ›ich bin Naass, der Häuptling von Akatan, der letzte meines Blutes, wie du die letzte des deinen bist.‹
Und sie lachte. Bei allem, was ich je gesehen, bei allen Taten, die ich verrichtet habe – laßt mich nie wieder ein solches Lachen hören. Es goß Frost in meine Seele, wie ich hier im weißen Schweigen saß, allein mit dem Tode und mit dieser Frau, die lachte. ›Komm‹, sagte ich, denn ich glaubte, sie wäre irre. ›Iß und laß uns weiterkommen. Es ist ein weiter Weg von hier nach Akatan.‹
Aber sie grub ihr Gesicht in seine gelbe Mähne und lachte, daß es klang, als ob alles über uns zusammenstürzte. Ich hatte geglaubt, daß sie bei meinem Anblick außer sich vor Freude und eifrig sein würde, zu den Erinnerungen der alten Zeit zurückzukehren; dies aber schien mir seltsam.
›Komm!‹ rief ich und packte sie an der Hand. ›Der Weg ist weit und dunkel. Laß uns eilen.‹
›Wohin?‹ fragte sie, indem sie sich aufsetzte und innehielt in ihrer seltsamen Lustigkeit.
›Nach Akatan‹, antwortete ich und spähte ihr ins Gesicht, um zu sehen, wie es sich bei dem Gedanken erhellte. Aber es war, als erhärteten ihre Lippen in Spott und kaltem Zorn.
›Ja‹, sagte sie. ›Wir wollen Hand in Hand nach Akatan gehen, du und ich. Und wir wollen in den schmutzigen Hütten leben und Fisch und Tran essen und eine Brut in die Welt setzen – eine Brut, auf die wir bis ans Ende unserer Tage stolz sind. Wir wollen sehr glücklich sein und die Welt vergessen. Es ist gut, herrlich. Komm, laß uns eilen. Laß uns zurück nach Akatan gehen.‹
Und sie ließ die Hand durch sein gelbes Haar gleiten und lächelte auf eine Art, die nicht gut war, und es war kein Versprechen in ihren Augen.
Ich saß schweigend da und wunderte mich über die Seltsamkeit des Weibes. Ich dachte an die Nacht, da er sie von mir fortschleppte und sie schrie und an seinem Haar zerrte – diesem Haar, mit dem sie jetzt spielte, und das sie nicht verlassen wollte. Dann erinnerte ich mich des Preises, den ich für sie bezahlt, und der langen Jahre, die ich gewartet hatte; und ich packte sie und schleppte sie fort, wie er getan. Und sie wehrte sich, gerade wie an jenem Abend, und kämpfte wie eine Katze für ihr Junges; und als das Feuer zwischen uns und dem Manne lag, ließ ich sie los, und sie setzte sich nieder und lauschte. Und ich erzählte ihr von allem, was
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