Der Sommer deines Todes
Es braucht wohl mehr als eine lustige Tätowierung, um diese verzweifelte Frau in Erstaunen zu versetzen.
Mac macht einen Schritt in den dunklen Eingangsbereich und bittet Cathy Millerhausen herein. Im Schein der Neonröhre sieht ihre Haut alabasterfarben aus, was ihm draußen im grellen, alles nivellierenden Sonnenlicht gar nicht auffiel. Während sie krampfhaft versucht, sich ein Lächeln abzuringen, tauchen kleine Fältchen neben ihren hellen Augen auf. Ihr verängstigter Blick geht ihm ganz schön unter die Haut.
«Mein Büro liegt am Ende des Flurs.» Er führt sie den schmalen Korridor hinunter, wo rechter Hand drei Büros abzweigen: zuerst Andres, ganz hinten Macs und dazwischen ein fensterloser Raum, den sich Karin und Mary teilen. Da die beiden Frauen erst später dazugestoßen sind und nur stundenweise arbeiten, wurde ihnen dieses unattraktive Büro zugeteilt, obwohl diese Art von Logik Mac eigentlich fremd ist. Als er sich hier einnistete, wurde der mittlere Raum noch von einer Dichterin genutzt. Er wirft einen kurzen Blick durch die offen stehende Tür. Mary sitzt bereits wieder am Computer und recherchiert.
Mac nimmt hinter seinem Schreibtisch Platz. Durch die geöffneten Fenster, vor denen grüne Büsche wuchern, dringt kühle Luft. Um das dunkle Erdgeschoss etwas freundlicher zu gestalten, hat der Vermieter das Büro in einem hellen Gelbton streichen lassen. Eine Deckenleuchte aus grauer Vorzeit taucht den Raum in ein warmes Licht. An der gegenüberliegenden Wand hängt ein gerahmtes Poster. Darauf ist ein offen stehendes Fenster mit Meerblick abgebildet, das ihn daran erinnern soll, dass das Leben nicht nur aus Arbeit besteht. Die sich auf dem Schreibtisch stapelnden Akten, die Mac über reale oder hypothetische Seitensprünge angelegt hat, erwecken fälschlicherweise den Eindruck, er hätte viel zu tun. Mit leidgeprüften Klienten kennt er sich inzwischen aus, und wenn er ehrlich ist, berührt ihr Kummer ihn heute nicht mehr so sehr wie früher. Dennoch wird er aller Wahrscheinlichkeit nach auch für diese betrübte Frau arbeiten, obwohl er lieber seinem Herzen folgen und den Auftrag ablehnen würde. Ohne Karins Zutun hätte er Cathy Millerhausen wahrscheinlich einfach wieder weggeschickt.
«Wie kann ich Ihnen helfen?», beginnt er.
Wie sie ihm da so völlig verkrampft gegenübersitzt – der Rücken kerzengerade, die Hände auf dem Schoß gefaltet –, verspürt er eine leichte Irritation.
«Es geht um meinen Mann.»
Er nickt.
«Ich glaube, er ist mir untreu.»
Natürlich, was denn sonst. «Erzählen Sie mehr.»
«Er hat seine erste Frau betrogen – mit mir.» Sie korrigiert sich. «Godfrey hat seine erste Frau wegen mir verlassen.» Sie errötet. «Von daher weiß ich, wozu er fähig ist.»
Mac hört aufmerksam zu. Das alles klingt nicht ungewöhnlich. Er lehnt sich zurück, macht es sich bequem. Sie zieht ihren Diamantring bis zum Fingergelenk vor, schiebt ihn zurück, dreht den Stein kurz nach unten und dann wieder nach oben, wo er das Licht einfängt und sie blendet.
«Ich glaube, Männer wie Godfrey sind immer untreu. Sie können nicht anders.»
«Was für eine Sorte Mann meinen Sie?»
«Sehr reiche und mächtige Männer.»
«Da Sie seine zweite Frau sind, gehe ich davon aus, dass er auf einen Ehevertrag bestanden hat.»
Sie nickt. «Allerdings hat mein Anwalt eine Klausel zu meinem Gunsten durchgeboxt: Falls Godfrey Armstrong Millerhausen während unserer Ehe eine sexuelle Beziehung zu einer anderen Frau eingeht, falls die Ehe mindestens fünf Jahre währt und der Ehebruch nach fünf Jahren uneingeschränkten Zusammenlebens erfolgt, ist der Ehevertrag null und nichtig.»
«Sind Sie seit fünf Jahren verheiratet?»
«Seit neun.»
«Wären Sie finanziell ruiniert, falls er auf die Einhaltung des Ehevertrags besteht?»
«So würde ich das nicht sagen, aber ohne ausreichende finanzielle Mittel bin ich in Zukunft nicht mehr in der Lage …»
Er glaubt zu wissen, was kommt, und versucht, keine Miene zu verziehen:
… den Lebensstil beizubehalten, den ich gewöhnt bin
.
Gnädige Frau, was interessiert es mich, ob Sie wie eine Königin leben können, denkt er, ehe er sich wieder auf sie konzentriert.
«… die Betreuung für unseren Sohn zu finanzieren. Wir haben Zwillinge, und einer der beiden hat besonderen Förderungsbedarf.» Sie umklammert die eine Hand mit der anderen, bis ihre Knöchel weiß anlaufen.
Neugierig beugt Mac sich vor und fragt: «Was für
Weitere Kostenlose Bücher