Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
mich gerettet«, stieß sie atemlos aus.
Und dann war er bei ihr.
Er humpelte schrecklich, und seine Wange war blutverschmiert. Aber er war da.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Byrne aufgewühlt und wandte sich an Jason. »Ist alles in Ordnung?«
»Sie war bewusstlos«, brummte Jason. Jane schickte ihn mit einer Handbewegung fort, und als Byrne sich vor sie kniete, ließ sie ihn keine Sekunde aus den Augen.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte sie. Er nickte grimmig und streckte die Hand aus, um Janes Wange zu streicheln.
Plötzlich brach jedes Gefühl, jede Sorge aus ihr heraus, die sie bisher gezügelt hatte. Hemmungslos ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Byrne nahm Jane in die Arme und wiegte sie sanft hin und her, während sie schluchzte und schniefte und zitterte.
»Ich hatte solche Angst«, weinte sie und machte seinen Umhang zu ihrem Taschentuch. »Ich habe versucht zu fliehen, aber er hat mich festgehalten.«
»Ich weiß, mein Liebes. Du warst so tapfer. Es tut mir unendlich leid, dass er dir wehgetan hat! Es tut mir leid, dass ich nicht rechtzeitig hier war«, wisperte Byrne ihr ins Ohr.
»Du bist gekommen. Du hast mich gerettet.«
»Ehrlich gesagt hat Victoria dich gerettet. Und mich auch«, entgegnete Byrne und sorgte dafür, dass Janes Schultern vor Lachen bebten. Er wiegte sie in den Armen, und sie boten einander Beistand und Trost. Sie hatten ihre Zuflucht gefunden und bewahrten sie.
Jason Cummings wurde Zeuge dieser Vertrautheit, was größtenteils der Tatsache geschuldet war, dass Byrne und Jane ihn in dem Moment, in dem sie einander erblickten, vollkommen vergessen hatten. Aber da war noch etwas, das Jason Cummings in diesem Moment schlagartig klar wurde.
Er war überzeugt gewesen, seine Schwester vor einem Fehler zu bewahren. Vor einem Fehler, denn sie bedauern würde. Und doch gab es da eine tiefe Wahrheit, die er erst jetzt begriff.
Er konnte seine Schwester nicht beschützen. Nicht vor ihr selbst, nicht vor dem, was sich gerade abspielte. Nicht vor einem Mann, der für sie den Kampf gegen Drachen aufnehmen würde, die Türen des Cottages stürmen und ihrer Familie trotzen würde.
Und er wollte es auch gar nicht. Jane hatte gewählt. Sie hatte einen Mann gewählt, der aufmüpfig und nachdenklich war und der Wunden davongetragen hatte. Sie hatte einen Mann gewählt, der auf so manch unerwartete Weise Fürsorglichkeit und Freundlichkeit an den Tag legte – mit seinem Vater Schach spielte und einem kleinen Jungen das Leben rettete. Sie hatte einen Mann gewählt, der sie ohne jede Einschränkungen liebte.
Sie hatte eine gute Wahl getroffen.
Als Jason sich erhob und seine Schwester der Obhut des Mannes überließ, der sie liebte, hörte er noch das Versprechen, das sie sich gaben.
»Dieses Mal bleibe ich«, hauchte Jane. »Lass mich nie wieder gehen.«
»Niemals, meine Liebe«, erwiderte er lächelnd, »niemals lasse ich dich gehen.«
Im Verlauf der nächsten Minuten spie Big Jim der versammelten Gruppe seine vergifteten Worte entgegen und richtete den anklagenden Finger eilig auf seine Komplizen Dobbs und Mr Cutler.
In der nächsten Stunde wurde Mr Cutler in seinem Haus dabei erwischt, dass er Silbertabletts und Kerzenhalter in einen Koffer packte. Vermutlich hatte er sich aus dem Staub machen wollen, solange seine Frau und die sieben Kindern noch schliefen.
In der Nacht brachte Jason die Größe auf, Byrne Worth die Hand zu schütteln. Selbstverständlich erst, nachdem die beiden Wachen, die von Byrne bewusstlos geschlagen worden waren, einigermaßen wohlauf angetroffen wurden.
In den nächsten Tag erholten Jane, Byrne und Big Jim sich größtenteils von ihren Verwundungen. Big Jim tat das natürlich hinter den Gittern eines Gefängnisses in Manchester, in dem er auf seine Deportation wartete.
Im Großen und Ganzen betrachtet, kehrte in den folgenden Wochen wieder Ruhe in Reston ein, und es fand zu seinem gewohnten Trott zurück. Genau wie das Wetter. Die Erntezeit war gekommen. Die Morgans hatten dem Bau der Kuhtrift gnädig zugestimmt, und die Bauern trieben ihr Vieh von nun an über deren Land. Michael und Joshua Wilton, die nicht mehr jeden Tag schwimmen gehen konnten, wurden von Mr Davies mit roten Händen erwischt, als sie seinen Übervorrat an roter Tinte klauten. Die Kirchturmglocken läuteten zu jeder vollen Stunde, und Lady Wiltons Strickkreis traf sich zum Tee.
Die Tage wurden kürzer und kürzer, die Touristen kamen seltener und seltener, bis schließlich sowohl
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