Der Sommer der Toten
Erklärung für das Phänomen finde und ansonsten bin ich ganz Ihrer Meinung, dass wir die Angelegenheit diskret handhaben sollten. Daher schlage ich auch vor, dass wir die Leichen noch heute Nacht verschwinden lassen müssen.“
„Das wird schwierig“, sagte Werner. „Kurt ist ausgefallen und ich weiß nicht, ob ich das alleine schaffe. Pfarrer Schuster hat Rückenprobleme und wird auch nicht viel machen können.“
Bianca grinste.
„Oh Mann, Leute!“, sagte sie. „Euer Frauenbild hat sich seit dem Hexenhammer auch nicht geändert. Ich bin ein modernes Mädchen. Ich mache Bodybuilding und Kampfsport und falle bei dem Anblick von Dreck auch nicht gleich in Ohnmacht.“ Sie klatschte auffordernd in die Hände. „Also los, schaffen wir die Leichen und die Särge aus den Gräbern und dann ist Feierabend.“
Aus den Augenwinkeln gewahrte sie, dass Pfarrer Schuster ein Grinsen mühsam und einigermaßen erfolglos zu unterdrücken versuchte. Werner starrte sie aus großen Augen an, stand aber widerspruchslos auf.
9.
Nach einer Stunde hatten sie die Leichen ins Beinhaus gebracht. Während Werner noch die beiden offenen Gräber für die bevorstehenden Beerdigungen vorbereitete, verabschiedete sich Bianca kurz und beeilte sich, zurück zu Annas Pension zu kommen.
Sie hatte sich mehrmals leise selbst für ihre große Klappe verflucht. Die Arbeit war zwar vom Kraftaufwand her zu bewältigen und sie und Werner konnten sich ohne lange Worte verständigen, aber die Leichen in das Beinhaus zu tragen, war das Schlimmste, was sie je tun musste. Sie wollte jetzt nur noch auf ihr Zimmer und duschen, duschen, duschen.
Bereits im Foyer der Pension wurde sie von Anna begrüßt.
„Und?“, fragte Anna.
„Lange Geschichte“, erwiderte Bianca knapp. „Ich möchte vor allem erst einmal duschen. Wenn Sie wollen, können wir uns danach unterhalten.“
„Einverstanden“, sagte Anna. „Ich mache schon mal Kaffee und bereite einen kleinen Imbiss vor. Ich schätze, das werden wir brauchen.“
„Den Kaffee auf jeden Fall“, entgegnete Bianca lächelnd. „Aber ob ich in den nächsten drei Tagen noch mal etwas Essbares herunterkriege, wage ich zu bezweifeln.“
„Abwarten“, sagte Anna grinsend. „Ich erwarte Sie im Gastraum.“
Bianca ging in ihr Zimmer, duschte und zog sich frische Kleidung an. Sie benötigte eine halbe Stunde, ehe sie wieder im Gastraum erschien. Annas „keiner Imbiss“ entpuppte sich als ausgewachsenes Büfett mit allen erdenklichen Leckereien. Alleine beim Anblick merkte sie, dass ihr der Magen knurrte.
Sie hielt sich erst gar nicht lange mit Floskeln auf, sondern schnappte sich einen Teller und lud sich großzügig auf. Dann setzte sie sich zu Anna.
„Wann kommt den die Hundertschaft vom BGS?“, erkundigte sie sich.
„BGS?“ Anna war irritiert.
„Oder für wen ist dieses Büfett gedacht?“
„Ach so.“ Anna lachte und deutete auf den voll beladenen Teller. „Ich möchte keine Wetten abschließen, wie lange das reicht.“
„Haha! Ich muss auf meine Figur achten.“
„Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen“, beruhigte Anna. „Wenn Sie immer so viel essen, dann gehören Sie zu den ganz Beneidenswerten.“
„Du.“
„Was?“
„Du“, wiederholte Bianca. „Lassen wir den Formalscheiß. Wir Hexen müssen zusammenhalten.“
„Upps ...“
„Was ist?“
„Ich dachte immer, Akademiker sind besonders spießig und wollen nur mit Frau Doktor angeredet werden und Kniefälle und all dieser Kram.“
„Ich bin ja auch das schwarze Schaf.“ Bianca grinste. „Mit zwölf wollte ich eine Profiboxkarriere machen, mit sechzehn hatte ich den schwarzen Gürtel in Karate und mit achtzehn stand ich wegen Körperverletzung vor Gericht, nachdem ich einem Typen, der mich vergewaltigen wollte, drei Rippen und das Nasenbein gebrochen habe. Ich wurde wegen Notwehr freigesprochen und der Kerl wurde verknackt, aber mein Vater hat mir das Messer auf die Brust gesetzt. Entweder ich studiere endlich oder er dreht mir den Geldhahn ab. Ich habe studiert und meinen Doktor gemacht und dann meinem Vater gesagt, wo er sich das Geld reinschieben kann. Seitdem habe ich keinen Kontakt mehr zu ihm. Mein Job ist mir zu trocken und zu langweilig. Eigentlich würde ich mir lieber ein Wohnmobil kaufen und durch die Welt ziehen. Aber das kann ich mir nicht leisten. Also bleibt mir nur, täglich brav meine Arbeit zu erledigen und auf ein Abenteuer hoffen. Jetzt habe ich es wohl.“
„Also als
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