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Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Derbort
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Verhörs wollten nicht enden. Als die Frau in den Kerker geschleift wurde, war sie nicht mehr hübsch. Sie war ein furchtbarer Anblick. Zertrümmerte Knochen, verkrüppelte Extremitäten und unendliche Qual in dem von Brandblasen durchsetzten Gesicht verleiteten den Betrachter dazu, dieser Kreatur aus lauter Barmherzigkeit den sofortigen Tod zu wünschen.
    Aber die Qual würde noch einige endlose Tage andauern.
    Die Gestalt hörte auf zu wimmern. Sie öffnete die Augen und auf ihrem zerschundenen Gesicht machte sich ein bösartiges Grinsen breit.
    Ihre krächzende Stimme hatte fast nichts mehr Menschliches an sich.
    „Er wird bald wiederkommen“, sagte sie.
    Bianca wachte schreiend auf. 

Kapitel 2
    Ein düsteres Geheimnis
    1.
„Mädchen, du siehst beschissen aus“, sagte Anna, als Bianca am späten Vormittag in den Gastraum kam.
    „Ich sehe nicht nur so aus“, bestätigte Bianca matt lächelnd. „Die ganzen Hexengeschichten haben mir erst einmal zu einigen deftigen Albträumen verholfen.“
    „Dann setz dich erst mal hin“, sagte Anna. „Ich verpasse dir jetzt mein Spezialfrühstück, das du hier auf keiner Karte findest. Danach fühlst du dich wie neugeboren.“
    „Wenn dir das gelingt, dann glaube ich sofort und uneingeschränkt an Hexerei“, brummte Bianca und setzte sich an einen freien Tisch. Anna verschwand indessen lachend in der Küche.
    Was sie ihr wenige Minuten später auftischte, schien wieder eine Portion für eine durchschnittliche vierköpfige Familie zu sein. Brötchen, Wurst, Käse, Rührei, Orangensaft und Kaffee der Marke „Kabelbrand im Herzschrittmacher“ beanspruchten zusammen mit anderen Leckereien bald die gesamte Fläche des Tisches, der eigentlich für vier Personen vorgesehen war.
    „Hey!“, protestierte Bianca. „Ich bin nicht Meat Loaf. Die Hälfte hätte auch gereicht. Wenn auch nur knapp.“
    „Iss erst mal. Es ist fast Mittag. Betrachte es als eine Art Brunch. Ich lass dich erst mal in Ruhe wach werden.“
    Bianca sah ihr kopfschüttelnd nach, als sie in die Küche verschwand, und machte sich über ihr Frühstück her.
    Als Anna nach der versprochenen halben Stunde wieder kam, hatte Bianca die Inhalte der Teller bereits gewaltig dezimiert.
    „Oh Mann“, stöhnte Bianca. „Meine nächste Anmeldung bei Weight Watchers geht auf deine Rechnung. Ich glaube, ich habe jetzt mehr verdrückt als sonst an einem ganzen Tag.“
    „Gehe ich recht in der Annahme, dass du sonst nicht in Gräbern herumkraxelst?“, fragte Anna spitz.
    „Eins zu null für dich“, gestand Bianca. „Gibt es etwas Neues?“
    „Ja. Werner hat gestern noch ein weiteres Grab ausgehoben. Das gleiche Ergebnis.“
    „Wann bist du geboren?“, erkundigte sich Bianca.
    „Wie bitte?“
    „Folgendes“, erklärte Bianca. „Bevor mein Kollege hier eintrifft, werde ich nicht viel machen können. Also versuche ich erst einmal den unwissenschaftlichen Weg. Betrachte es als Auswirkung meiner Abenteuerlust.“
    „1971“, antwortete Anna. „Wieso?“
    „Das würde passen“, bekundete Bianca. „Die Leichen, die nicht verwest sind, stammen aus dieser Zeit.“
    „Ich sehe, dass du langsam auch anfängst, dich mit dem Gedanken anzufreunden“, bemerkte Anna. „Da habe ich gleich noch etwas für dich.“
    „Was?“
    „Vor etwa zehn Jahren hatte ich eine Gebärmutterzyste, die einen ziemlichen Laden aufgemacht hatte. Das führte dazu, dass meine Gebärmutter entfernt werden musste. Ich kann keine Kinder bekommen.“
    „Demnach wärst du definitiv die Letzte in dieser Linie.“
    „Genau.“
    „Würde dieser Fluch – oder wie immer man das nennen mag – stimmen, dann würden die Jungs da oben am Friedhof aus den Gräbern kraxeln, sobald du ins Gras beißt. Ist das ebenfalls korrekt?“
    „Ja, auch wenn du das nicht gerade pietätvoll formuliert hast. Ich hoffe, deine wissenschaftliche Neugier geht jetzt nicht so weit, dass Du es konkret ausprobieren willst.“
    „Das hatte ich eigentlich nicht vor. Eher das Gegenteil. Kommen wir zu deinen Handflächen. Hat sich das im Laufe der Zeit irgendwie geändert? Ich meine – ist es schlimmer geworden?“
    „Gut geraten“, stöhnte Anna. „Die Blutungen wurden immer heftiger. Letztes Jahr ging es so weit, dass ich hinterher ins Krankenhaus musste.“
    „Das habe ich mir fast gedacht“, murmelte Bianca.
    „Was?“
    „Also gut. Auch auf die Gefahr, dass du mich für verrückt hältst. Ich konnte gestern Nacht nicht einschlafen. Da habe ich mal

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