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Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Derbort
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Abenteurerin haben Sie ... äh – hast du dir aber ein ziemlich totes Nest für deinen Urlaub ausgesucht.“
    „Das ist eine andere Sache. Wenn ich jeden Tag vor Hightech-Maschinen sitze, um herauszufinden, welche Antibiotika nun am besten gegen welche Bakterien wirken, bin ich heilfroh, wenn ich wenigstens drei Wochen im Jahr Natur pur genießen kann.“
    „Auch ein Argument.“
    „Eben. Hast du ab morgen noch ein Zimmer frei?“
    „Ja. Gestern kam eine Absage. Viele Leute wollen bei dieser Hitze dann doch lieber an die Nordsee und nicht in den Bayerischen Wald. Ich habe mich schon geärgert.“
    „Gut. Morgen kommt ein Kollege von mir. Kannst du ihn einquartieren? Wenn ich Pfarrer Schuster richtig verstanden habe, übernimmt er die Rechnung.“
    „Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Das ist schon alles geklärt. Und über Geld reden wir jetzt nicht.“
    „Gut.“ Bianca lehnte sich zurück. „Du weißt über alles Bescheid?“
    „Weitgehend. Bring mich bitte auf den neuesten Stand.“
    Bianca erzählte alles, was im Pfarrhaus besprochen worden war. Sie erzählte auch von der Leiche des vor fünfhundert Jahren ermordeten Priesters.
    „Vater Inquisitor ...“, murmelte Anna.
    „Hieß der wirklich so?“
    „Nein. Die Leute im Dorf nannten ihn so. Wegen seiner Vorliebe, Frauen zu verfolgen und als Hexen zu verbrennen.“
    „Der muss ja wirklich wahnsinnig gewesen sein.“
    „Oder vorsichtig.“
    „Wieso vorsichtig?“
    „Es gibt ein weiteres Gerücht, von dem Pfarrer Schuster mit ziemlicher Sicherheit nichts erwähnt hat“, erklärte Anna. „Bei den Kindern, die er verbrennen ließ, bestand eine Fünfzig-Prozent-Chance, dass es seine Kinder waren. Nur wenige Nachkommen konnten seinem Zugriff entfliehen. Jedenfalls hat der werte Herr Pfarrer Inquisitor wohl so ziemlich jede Frau im Dorf in seine Gemächer zitiert und nach Strich und Faden durchgebumst. Und damit das nicht allzu publik wurde, hatte er sie anschließend als Hexen denunziert und auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen. So viel zu dem unbefleckten Ruf der Kirche.“
    „Aber was konnten die Kinder dazu?“
    „Reine Sicherheitsmaßnahme. Die Gefahr, dass die Kinder ihm irgendwann ähnlich sahen, war zu groß. Daher hatte er kurzerhand alles niedergemetzelt, was eventuell sein Erbgut in sich tragen könnte.“
    „Oh Scheiße!“, stöhnte Bianca. „Wenn ich das vorher gewusst hätte, dann hätte ich, glaube ich, vorhin eiskalt in den Sarkophag reingepisst.“
    Anna lachte laut auf.
    „Das Gesicht von Pfarrer Schuster hätte ich dann gerne mal gesehen“, sagte Anna feixend. „Der fällt doch schon in Ohnmacht, wenn er im Schwimmbad ein Mädchen im Bikini sieht.“
    Auch Bianca lachte herzhaft. Dann, nach einer Weile wurde sie wieder ernst.
    „Aber es ist nicht wirklich witzig“, sagte sie.
    „Nein“, bestätigte Anna. „Es ist nicht witzig.“
    „Und es ist auch unangebracht, so vulgär zu sein.“
    „Du hast es ja nur gesagt und nicht getan. Es ist ein Ventil gewesen. Mehr nicht.“
    „Ganz ehrlich“, verlangte Bianca. „Glaubst du an all diesen Hokuspokus?“
    „Ich habe angefangen zu studieren. Das habe ich dir ja bereits erzählt.“
    „Ja.“
    „Ich hatte mich in Psychologie eingeschrieben. Ich wollte nach Freiburg gehen, weil dort die deutschlandweit einzige Fakultät für Parapsychologie sitzt. Das geht zwar nur als Nebenfach, aber immerhin. Ich wollte wissen, wie man Dinge, die man nicht erklären kann, doch mit Hilfe von Zahlen und Versuchsreihen erklären kann.“
    „Glaubst du also dran?“
    Statt einer Antwort öffnete Anna die Hände und streckte Bianca beide Handflächen entgegen. Beide waren etwa in der Mitte der Handteller vernarbt.
    „Was ist das?“, fragte Bianca.
    „Das weiß keiner“, erklärte Anna. „Die Ärzte erzählen etwas von einer Allergie. Ich bin eigentlich Atheist und glaube auch nicht an Geister. Aber ich werde nervös bei dem Gedanken, dass jedes Jahr exakt am vierten September diese Narben ohne ersichtlichen Grund aufbrechen und die Hände wie verrückt bluten. Von den barbarischen Schmerzen reden wir erst gar nicht. Das Ganze dauert etwa drei Tage. Dann verheilt wieder alles. Das habe ich, seit ich vierzehn bin.“
    „Stigmata?“, fragte Bianca skeptisch.
    „Dieses Wort möchte ich eigentlich gar nicht verwenden, aber es kommt hin. Hinzu kommen noch einige weitere kleine Details.“
    „Welche?“
    „Vater Inquisitor wurde am vierten September 1504

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