konnte: glatt rasiert, der Anzug wie angegossen, der Krawattenknoten tadellos und die Schuhe blitzend. Ein perfektes Bild, das in ihr gleich wieder Abneigung hervorrief.
»Komm, Joana«, schaltete Fèlix sich ein, »ich begleite dich.«
Im Vorbeigehen sah sie ein spöttisches Lächeln auf den Lippen ihres Exmanns, und unmerklich zuckte sie zusammen. Als wären die Jahre nicht vergangen. Enric wartete ein paar Sekunden, ehe er sprach, so lange, bis sie sich ein wenig entfernt hatten und er die Stimme heben musste.
»Die Beerdigung ist morgen um elf. Falls du Zeit hast und kommen möchtest. Fühl dich aber bloß nicht verpflichtet.«
Sie erriet den Blick, den Fèlix seinem Bruder sandte, aber sie ging weiter auf die Tür zu: ein halbes Dutzend Schritte, die ihr endlos vorkamen, umgeben von einer anschwellendenFlut abfälliger Kommentare. Auf der Schwelle blieb sie stehen, drehte sich zur Halle um und bemerkte mit Befriedigung, dass das Stimmengewirr abbrach.
Sie schlug auf den alten Kühlschrank, um das nervige Surren zu stoppen. Die Stille dauerte kaum ein paar Sekunden. Sie ging langsam zu ihrem Laptop und war heilfroh über den kabellosen Internetanschluss. Sie setzte sich an den Tisch und öffnete ihre Mailbox. Drei Nachrichten, zwei von Kollegen an der Universität, wo sie katalanische Literatur unterrichtete, und eine von einem unbekannten Absender:
[email protected] . Als sie die letzte gerade anklickte, hörte sie die Türklingel, eine Musik aus anderen Zeiten.
»Fèlix!« Er stand vor der Schwelle und stützte sich am Türrahmen ab, noch keuchend vom Treppensteigen. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie noch im Morgenrock war. »Was machst du hier?«
Er blieb weiter stehen und erholte sich von den fünf Treppenläufen.
»Entschuldige, komm doch rein. Ich bin es nicht gewohnt, Besuch zu empfangen«, sagte sie mit einem flüchtigen Lächeln. »Ich ziehe mich eben an, setz dich irgendwo hin ... Die Wohnung war zugeschlossen, du weißt ja.«
Als sie zurückkam, stand er wartend vor dem Balkon und schaute hinaus. Er war immer ein großer, stattlicher Mann gewesen, aber die Jahre hatten ihm ein paar Kilos zu viel beschert, die sich nun um die Hüfte abzeichneten. Er nahm ein Taschentuch, um sich den Schweiß wegzuwischen, und Joana dachte, dass er wahrscheinlich der einzige Mensch war, der noch Stofftaschentücher benutzte.
»Möchtest du etwas trinken?«
Er drehte sich um, lächelte und folgte ihr in die Küche.
»Geht es dir gut hier?«, fragte er.
Sie nickte.
»Die Wohnung ist ein bisschen vernachlässigt, aber angenehm«, sagte sie und hielt ihm ein Glas Wasser hin. Er trank es in einem Zug.
»Weshalb bist du hier, Fèlix?« Die Frage kam unvermittelt, und diesmal machte sie sich nicht die Mühe, sie abzufedern.
»Ich wollte sehen, wie es dir geht.« Er lächelte erneut, wenig überzeugend. »Ich sorge mich nun mal um meine Mitmenschen.«
Sie lehnte sich an die Wand. Die Kacheln, klein und weiß, mehr Krankenhaus als Küche, waren kühl.
»Mir geht es gut.« Und sie konnte es sich nicht verbeißen, hinzufügen: »Du kannst es Enric ruhig sagen. Ich werde so lange bleiben, wie es sein muss.«
»Mein Bruder hat mich nicht geschickt. Ich mache mir Sorgen um dich.«
Das stimmte wohl, sie wusste es. Immer, selbst in den schlimmsten Momenten, hatte sie auf Fèlix zählen können. Schon seltsam, dass er trotz priesterlicher Berufung und Soutane der Einzige gewesen war, der sie zu verstehen schien.
»Und ich wollte dich auch etwas fragen. Hat Marc sich mit dir in Verbindung gesetzt? Im letzten Jahr?«
Sie schloss die Augen und nickte. Bevor sie antwortete, schnappte sie nach Luft und schaute zur Decke. Der Kühlschrank fing wieder an zu surren.
»Er hat mir mehrere E-Mails geschickt. Jetzt reicht’s aber!« Sie schlug mit der Hand fest gegen die weiße Tür. »Entschuldige, das macht mich wahnsinnig.«
Er setzte sich auf einen der Küchenstühle, und Joana fürchtete schon, das alte Ding könnte unter seinem Gewicht zusammenbrechen.
»Ich habe ihm deine Mailadresse gegeben«, erklärte er. »Er hatte mich aus Irland darum gebeten. Ich habe lange gezögert, aber am Ende konnte ich es ihm nicht abschlagen. Marc war kein Kind mehr und hatte ein Recht darauf, bestimmte Sachen zu erfahren.«
Sie sagte nichts. Sie wusste, dass Fèlix noch nicht fertig war.
»Eine Woche später hat er mir wieder geschrieben und gesagt, er hätte keine Antwort erhalten. Stimmt das?«
Joana spürte, wie ihr die