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Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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angezogen.“
    „ Oh, na klar. Sehr gut. Du solltest was essen. Soll ich dir was hinauf … ach, nein, lass uns hinunter gehen, ja?“ „Gern.“
    Und wie um zu beweisen, dass es ihm gut ging, kam Rolo mit so viel Schwung auf die Füße, dass ihm schwindelte. Er hielt sich an der Tischkante fest, da war es auch schon wieder vorbei. Sein Vater hatte es nicht bemerkt.
    Sie verließen den Raum und traten auf einen breiten Balkon. Rolo verschlug es den Atem. Sie waren im Inneren eines Turmes. Kreisrund war er wie ein Leuchtturm. Nur viel breiter im Durchmesser. Am Boden schien sich eine große Halle über die gesamte Fläche zu erstrecken. Unzählige Balkone schraubten sich spiralförmig die Wand entlang in die Höhe. Sie waren mit Brücken und Leitern untereinander verbunden. Wie hoch der Turm war, konnte Rolo nicht sehen. Das Licht war zu schwach. Durch runde Fenster schien die Abendsonne hinein. Sie brach sich an verspiegelten Flächen. „Paps, jetzt aber mal ehrlich: Wo sind wir?“
    „ Ich erkläre dir alles unten. Sei bitte vorsichtig.“ Er deutete auf die Treppe direkt zu Rolos Füßen. Rolo hätte schwören können, dass sie eben noch nicht da war.
    Die Bewegung tat Rolo gut, in seinem Kopf war es schnell weniger schummrig. Am Fuß der Treppe stand, verloren in der Weite des Raumes, ein einzelner Tisch, an dem zwei Personen saßen. Die eine las in einem Buch, die andere blickte rauf und winkte. Rolo winkte zurück und beeilte sich, hinunterzukommen. Tante Farrah hatte etwas von einem großen, dünnen Vogel. Die Ärmel ihres Kleides flatterten, als sie Rolo in ihre Arme schloss. Ihr Gesicht war hager, ihre Augen strahlten vor Freude. Das graue Haar war zu einem ordentlichen Dutt hochgesteckt.
    „ Rolo, mein Junge. Ich habe mich so gesorgt.“
    Obwohl Rolo sich nicht daran erinnern konnte, Tante Farrah schon mal gesehen zu haben – er war ja noch ein Baby bei ihrer letzten und wahrscheinlich einzigen Begegnung - mochte er sie sofort. Sie roch nach Lavendel. Ihre heisere Stimme rührte etwas in ihm. So fühlt sich Familie an, dachte er. Den Kloß im Hals schluckte er runter.
    „ Ich hätte dich immer noch unter Hunderten erkannt“, sagte sie. „Euch endlich wieder hier zu haben. All die verlorene Zeit.“
    Rolo nickte. Er war froh, als Belenus sich schwerfällig von seinem Stuhl erhob, und so die Aufmerksamkeit von ihm ablenkte. Auf dem Tisch lag das Buch, das seinem Vater so viele Rätsel aufgab.
    „ Hast alles gut überstanden? Robust! Musst hungrig sein? Warte kurz, ich hol uns was.“
    Rolo merkte erst jetzt, dass er tatsächlich hungrig war wie ein Löwe.
    Belenus durchschritt die Halle in einem Tempo, das seine Körpermasse Lügen strafte. Er verschwand durch eine Tür. Sie setzten sich.
    „ Wie geht es dir?“, fragte Tante Farrah.
    „ Es geht. Mein Kopf tut weh. Und ich kann mich nicht an gestern Nacht erinnern.“
    „ Das kommt schon. Die Erinnerungen sind ja noch da drin.“ Sie tippte Rolo mit dem Zeigefinger auf die Stirn. „Ist nur etwas durcheinandergeraten. Ich wette, du hast tausend Fragen.“
    „ Mindestens tausend! Was ist das hier für ein Haus? Ist das überhaupt ein Haus? Und gestern. Wie hast du das gemacht? Geleuchtet hast du! Und deine Stimme. Die kam von überall her zugleich. Und die Nachtwehr!“
    „ Eins nach dem anderen“, lachte Tante Farrah.
    Belenus kam zurück. Er trug eine schwarze Schürze und schob einen Servierwagen. Gemeinsam deckten sie den Tisch. Rolo wurde nicht müde, seine Begeisterung zum Ausdruck zu bringen. Ein Käsebrötchen kauend, berichtete er von Zuhause und von der Reise nach Neunseen. Allerdings vermied er es, den eigentlichen Grund ihrer Reise zu erwähnen. Den Brief. Tante Farrah lauschte aufmerksam. Paps erzählte von ihrer Begegnung mit Solomon. „Stand einfach da, mitten auf der Straße. Wenn Roland nichts gesagt hätte, ich hätte ihn überfahren.“
    „ Und er sagte, dass er euch kennt“, ergänzte Rolo schmatzend.
    „ Wie war der Name? Solomon? Mmh“, grübelte Belenus. „Kommt mir nicht bekannt vor. Und Schäfer soll er sein?“
    „ Wir haben hier keinen Schäfer mit diesem Namen. Vielleicht hat sich jemand einen Scherz mit euch erlaubt. Wie genau sah er aus?“
    Sie beschrieben jedes Detail, an das sie sich erinnern konnten. Die Augenklappe, der Schlapphut, der Bart. Als sie den Stock mit dem Krähenkopf erwähnten, meinte Rolo, so was wie Überraschung in Belenus Gesicht zu sehen. Aber der schüttelte den Kopf. „Kenn ich

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