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Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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Schritt, eine Universität außerhalb des Gebirges zu besuchen. Deine Mutter war eine ungemein mutige Frau.“
    „ Ist sie auch zur Farralot gegangen?“, fragte Rolo. „Natürlich ist sie das. Wie jeder hier“, sagte Paps.
    „ Und war sie …?“
    „ Sie war eine Zauberin“, sagte Tante Farrah. „Und sogar eine äußerst begabte.“
    „ Allerdings war sie auch interessiert daran, über den Tellerrand hinaus zu schauen. Sonst hätten wir uns wohl nicht getroffen. Wir verbrachten viele Wochen nach deiner Geburt hier. Ich habe es dir nie erzählt, aber du bist in Neunseen geboren. Gar nicht weit von hier.“
    „ Wie ist Mama wirklich gestorben?“
    „ Mein Junge, deine Mutter ist nicht tot.“
    Alle schwiegen. Rolo spürte den Sinn der Worte mehr, als dass er ihn verstand. Tränen verschleierten ihm die Sicht. Seine Stimme war ein gebrochenes Flüstern. „Du hast mich belogen? Du hast mich mein ganzes Leben lang belogen?“
    Belenus schnäuzte sich in ein schwarzes Taschentuch. „Roland, hör mir zu! Deine Mutter. Damals. Es waren schlimme Zeiten. Es begann, kurz bevor sie mit dir schwanger wurde. Sie traf jemand. Freunde aus der Farralot. Es passierte alles im Verborgenen. Ich freute mich, dass sie alte Kontakte wieder aufleben ließ. Dann wurde alles verrückt. Deine Mutter wurde immer rätselhafter für mich. Zuerst dachte ich, es wäre die Schwangerschaft. Dann fand ich die Aufzeichnungen. Ich habe nicht rumgeschnüffelt! Sie lagen einfach so herum. Beschwörungsformeln und finstere Hexerei. Ich verstehe doch nichts von diesem Unsinn. Ich merkte, wie sie mir entglitt. Stellte sie zur Rede. Zunächst wollte sie nichts davon wissen. Aber ich ließ nicht locker. Immer wieder fragte ich sie, wo sie hingeht. Wen sie trifft. Was sie tut. Weißt du, was ich dachte? Ich dachte, sie hätte jemand kennengelernt. Einen anderen Mann.“ Er lachte bitter. „Ich wünschte, das wäre alles gewesen! Ich habe sie so geliebt.“ Er verbarg das Gesicht in den Händen und weinte. Belenus schluchzte leise. Rolo hatte seinen Vater noch nie weinen sehen. Seine Wut verpuffte und wich großer Trauer.
    Tante Farrah sprach: „Mein Junge, bitte bedenke. Gut oder böse, das ist immer eine Frage des Standpunktes. Vieles, das dir böse erscheint, mag für jemand anderes gut und richtig sein. Gerechtigkeit ist ein zweischneidiges Schwert. Ist der böse, der vielleicht im Irrglauben für eine Sache kämpft? Wenn er es nicht besser weiß? Welche Opfer ist man bereit zu bringen, um seine Ziele zu erreichen? Verblendet und verführt von falschen Versprechen. Nichts ist nur schwarz oder weiß. Nicht im Nachtschattental, nicht in Rabenstadt, nicht in der Welt. Auch nicht du oder ich. Auch nicht deine Mutter. Verstehst du, was ich dir sagen will? Jeder muss sich in jedem Moment entscheiden, welche Seite für ihn die richtige ist. Und deine Mutter, sie entschied sich für die falsche Seite.“
    „ Du warst gerade zur Welt gekommen, ein Baby. Ich war doch für dich verantwortlich. Sie hatte völlig den Verstand verloren. Also tat ich, was getan werden musste. Ich brachte dich von hier fort. Von ihr fort.“
    Schweigen erfüllte die große Halle der Farralot. Rolo versuchte, das Chaos aus Gefühlen in den Griff zu kriegen. Es wollte ihm nicht gelingen. „Das sind doch alles Lügen!“ Er sprang auf und stieß seinen Stuhl zu Boden. Die Worte erreichten nicht seinen Verstand. Die Tränen seines Vaters rührten sein Herz nicht mehr. Er wünschte sich, er könnte ihm seine Enttäuschung ins Gesicht brüllen. Könnte ihn fühlen lassen, was er jetzt fühlte. Aber die Wut schnürte ihm die Kehle zu. Er sah die große Pforte. Er hätte später nicht sagen können, ob sie vorher schon da war. Vielleicht hatte die Farralot erkannt, dass Rolo einen Ausweg brauchte.
    „ Rolo!“, rief sein Vater, aber Tante Farrah fasste ihn beim Arm. „Lass ihn laufen.“
     
     

Kapitel 17
    Die Pforte schloss sich mit einem Knall hinter Rolo. Vor ihm führte eine breite Treppe in den Garten. Er rannte hinab. Die Dämmerung brach bereits an.
Meine Mutter lebt!
Nicht nur das war es, was ihn an seinem Verstand zweifeln ließ. Und an seinem Vater. Die Farralot befand sich auf einem Hügel. Rolo sah die Lichter von Neunseen im Tal flackern. Wo sollte er sonst hin? Zauberei und Magie. Er liebte die Geschichten darüber. Aber in Wirklichkeit? Im Gegenlicht der untergehenden Sonne ragte der Wald als düstere Silhouette vor ihm auf. Rolo verschwand zwischen den Bäumen.

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