Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)
mehr kampflos aufgegeben. Die Bewohner stellten sich Ostaguuls Brut, wenn es sein musste, mit Mistgabeln und Dreschflegeln entgegen. Geschliffene Burgen wurden neu errichtet. Könige erhoben sich aus der Asche ihres Selbst und fanden den Stolz ihres ruhmreichen Erbes wieder. Es war eine Zeit der Heldentaten, und in dieser Zeit wurde manch ein Held geboren. Dann kam die zweite große Schlacht. Die alles entscheidende Schlacht. Der Orden des Obsidian marschierte gen Gavelot. Gavelot war die größte Stadt ihres Zeitalters. Sie war eine gewaltige Festung mit hohen Mauern. Und obwohl von den Menschen gegründet, war es der erste Ort, wo alle Völker Seite an Seite lebten. Es mag ein Zufall gewesen sein, vielleicht auch ein Wink des Schicksals, aber das spielt eigentlich keine Rolle. Die Männer und Frauen aller Völker kämpften hier nicht um weniger als um ihr Zuhause und die Zukunft ihrer Kinder. Gibt es einen stärkeren Antrieb? Ostaguul warf alles in die Waagschale. Seine Armee war größer denn je. Düstere Kreaturen, die nie ein Lebender zuvor erblickt hatte, füllten ihre Reihen. Ihr Anblick genügte, um manch tapferen Mann in die Knie zu zwingen. Aber Lycal von Amadar war ein Meister der Kriegskunst. Seine Ansprachen führten die verängstigten Krieger auf den rechten Weg zurück. Und nach Tagen der Belagerung begann die Schlacht. Die alles entscheidende Schlacht um Gavelot und das Schicksal der Welt. Bald bemerkten wir einen Unterschied zu den vorhergehenden Gefechten. Ostaguuls Reihen waren weniger geschlossen. Der kollektive Geist der Armeen brach zusammen. Und manch ein Madenkrieger ergriff die Flucht, wenn er auf den heftigen Widerstand eines Halblings mit Knüppel traf. Auch gelang es dem Orden nicht, die Mauern von Gavelot mit Magusch niederzureißen. Die Zauber waren zu schwach, prallten am festen Stein ab wie ein Feuerwerk. Wir rochen unsere Chance, und wie die Berserker warfen wir uns in die Schlacht. Nach zwei Tagen und zwei Nächten standen wir knietief im Blut. Blut von Feinden, aber auch von Brüdern und Schwestern. Der Orden des Obsidian war geschlagen. Unter gewaltigen Verlusten auf beiden Seiten. Das Madenvolk floh. Stolz wehte die Fahne der vier Völker auf den Zinnen des höchsten Turms von Gavelot. Wir jagten den Orden noch viele Jahre, und manches Mal sind wir nur knapp mit heiler Haut davongekommen. Doch seine großen Tage waren vorbei. Ohne Magusch war er kaum bedrohlicher als eine Horde Strauchdiebe. Doch die Bedrohung lauerte längst woanders. Denn schon bald brach die natürliche Ordnung der Dinge zusammen. Wie es genau geschah, ist mir unmöglich zu rekonstruieren. Ich glaube, dass ohne Magusch das Gleichgewicht der Kräfte aus den Fugen geriet. Die Menschen wurden immer zahlreicher. Eines Tages wurde uns Nachtvölklern der Einlass in die Städte verwehrt. Man tuschelte über uns hinter vorgehaltener Hand. Nannte uns Dämonen. Teufel. Es ging die Mär, dass wir des Nachts zu den Menschen aufs Bett steigen und ihnen Albträume bringen. Hat man so was schon gehört? Den Halblingen erging es noch schlimmer. Die Elben kümmerten sich nicht mehr. Und ohne ihren Schutz waren sie leichte Beute für Halbabschneider und Sklavenhändler. Viele wurden entführt, zur Arbeit gezwungen. Oder in entlegenen Gegenden als kleines Naturwunder auf Jahrmärkten präsentiert. Die Zwerge verließen bald kaum noch das Dunkel ihrer Paläste im Schoß der Welt. Sie scherten sich nicht um die Anliegen der anderen Völker. Es sei denn, es wurde Handel getrieben. Doch es wurde noch schlimmer. Die Wälder der Elben vergingen. Langsam, aber stetig. Ich glaube, dass die Elben selbst vergingen im Inneren. Sie wurden weniger und bald schon waren sie fort. Ich glaube, sie haben es gewusst. Für den Sieg über Ostaguul haben sie ihr eigenes Ende heraufbeschworen. Aber mir brach es das Herz. Unter den Menschen brach der Irrsinn aus. Sie jagten uns. Nicht jeder Nachtvölkler ist ein Krieger. Auch wir hatten Kaufleute und Bauern in unseren Reihen. Sie verstanden sich nicht darauf, eine Klinge zu führen. Lebten ein friedliches, einfaches Leben. Viele hatten überhaupt kein Interesse, mit den Menschen in Kontakt zu treten. Waren ihnen zu groß. Zu nackt. Es änderte nichts. In großen Treibjagden wurden sie gnadenlos aufgescheucht und geschlachtet wie Vieh. Zauberei wurde unter Strafe gestellt. Die letzten Zauber, die noch mit dem kläglichen Rest ihrer alten Macht Gutes tun wollten, wurden auf Scheiterhaufen verbrannt oder
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