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Der Sommer des Commisario Ricciardi

Der Sommer des Commisario Ricciardi

Titel: Der Sommer des Commisario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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ihnen, wenn sie etwas brauchen. Dann allerdings ging ich hinaus und folgte den beiden, lebte ein wenig ihr Leben mit, sah ihnen beim Leben zu. Ich war ja unsichtbar. So schön und fröhlich, wie sie waren, standen sie immer im Mittelpunkt der Gesellschaft. Alle schauten sie an, beneideten sie. Sie aber liebten sich und waren glücklich, und sogar ich war glücklich, weil ich dachte, dasses auch ein bisschen mein Verdienst sei, dass sie so zusammen sein konnten. Denn manches Glück kann nur im Verborgenen gedeihen; der Alltag tötet es.
    Ich bin ihnen vielleicht hundert Mal gefolgt, sie waren immer unterwegs. Ich habe meinen Mann nie zuvor so glücklich gesehen.
    Dann wurde sie seiner allmählich müde.
    Er merkte es nicht, trottelig, wie Männer manchmal sind – verzeihen Sie, Commissario. Eine Frau ist weniger naiv, sie spürt es. Und so spürte auch ich es. Sie begann, sich umzuschauen, wenn er abgelenkt war, redete oder jemanden grüßte; sobald er sich für einen Moment entfernte, lächelte sie, scherzte, zwinkerte einem anderen zu. Sie gehörte zu den Frauen, die es genießen, den Männern zu gefallen. Sie zog die Aufmerksamkeit auf sich und sandte Signale aus.
    Das erste Mal betrogen hat sie ihn vor sieben Monaten. Er war in der Redaktion geblieben, um einen Artikel über den Besuch des Fürsten von Venedig oder irgendeines anderen Adligen zu schreiben, doch sie ging trotzdem aus und nahm danach jemanden mit zu sich nach Hause. Ich habe draußen auf der Straße gewartet, bis ich ihn wieder herauskommen sah, es war schon fast Morgen. So ging das immer weiter, in immer kürzeren Abständen. Es waren die erstbesten Männer, nichtswürdiges Volk. Sie suchte sie sich in anderen Gegenden und anderen Kreisen, damit Mario nichts davon erfuhr.
    Bei ihr im Haus, also, Sie haben’s ja gesehen: Es kümmerte keinen. Jeder lebt dort für sich und alle geben acht, sich nicht gegenseitig auf die Füße zu treten. Der Herzog steht nicht aus seinem Bett auf, ich habe die heilige Jungfrau schon gebeten, ihn schnell zu sich zu nehmen, er muss sehr schlimm leiden. Den Sohn holt manchmal ein schwarzer Wagen ab, und er verbringt die Nacht auswärts. Wer weiß, wo er hingeht. Die Bediensteten möchten bloß ihre Stelle und die Vorteile nicht verlieren: Der komische Pförtner mit seinen Kindern, die pausenlos essen, und die Haushälterin, die immerzu nur an den Herzog und an seinen Sohn denkt.
    Kurzum: Ich sah sie mit diesen anderen Männern, wenn mein Mann in der Redaktion war. Doch ich glaube nicht, dass sie boshaft war. Sie war einfach so: Verrückt nach Männern. Solange die anderen wussten, wohin sie gehörten, blieb mein Mann unbehelligt und ich war zufrieden. Ich musste doch auf ihn aufpassen, erinnern Sie sich? Ich hab’s Ihnen schon gesagt. Das ist meine Aufgabe, die Mutter Gottes sagte zu mir, dass ich ein Engel bin, der Schutzengel meines Mannes.
    Eines Abends aber ist mir etwas Sonderbares aufgefallen: Sie hatte jemanden geschickt, um Mario mitzuteilen, sie werde zu Hause bleiben, weil ihr nicht gut sei. Das weiß ich vom Blumenhändler, der einen Strauß Rosen zu ihr gebracht hat – mein Mann ist sehr zuvorkommend, müssen Sie wissen, auch als Andrea, mein Süßer, geboren wurde, hat er mir wunderschöne Blumen geschickt. Sie ist aber doch ausgegangen, ins Theater, mit einem jungen Mann. Das war vor zehn Tagen. Ein schöner Jüngling, fast noch ein Junge, einer, den ich schon bei meinen nächtlichen Ausflügen gesehen habe, wo er manchmal ältere Damen begleitete.
    Das beunruhigte mich. Ein Fischer ist das eine, ein junger Mann aus gutem Hause, der schick gekleidet ist und indenselben Kreisen verkehrt, ist etwas anderes. Und tatsächlich hat sogar mein Mann, obwohl die Männer nichts sehen, bis sie mit der Nase darauf gestoßen werden – verzeihen Sie, Commissario –, also selbst er hat etwas geahnt und ihr eine Szene gemacht. Ich war dabei, hinter der Garderobe versteckt, ich sagte Ihnen ja, dass ich unsichtbar bin und niemandem auffalle. Sogar meinen Ring hat er ihr weggenommen; er hatte ihn von mir zurückgefordert, als er sich in sie verliebte. Und dann hat er sie vor allen Leuten geohrfeigt.
    Eine unschöne Sache, Brigadiere, wirklich unschön, eine Frau zu schlagen. Das passt nicht zu ihm. Es heißt, dass er litt, und zwar sehr. Und ich, sein Schutzengel, konnte das nicht zulassen.
    Er ist losgezogen, irgendwohin, um sich zu betrinken; ich aber bin ihr gefolgt. Ich habe das Ende des Stücks abgewartet, von

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