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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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seinen Verrat.
    Sein Leben war in Scherben gegangen. Von einer Minute auf die andere. Der Schock hatte ihn vollständig gelähmt, und es war schließlich sein Vater gewesen, der ihn aus der Depression herausgeholt hatte.
    »Kämpfe, mein Junge. Lass nicht zu, dass das, was von der Organisation noch übrig ist, in falsche Hände gerät. Wende dich an die, denen du trauen kannst, und halte die Stellung, bis ich wieder zurück bin. Und dann gnade Gott dem, der uns das angetan hat, und denen, die ihm geholfen haben.«
    Eine gigantische Aufgabe, die der Vater ihm da auferlegte, doch Kristof hatte sie klaglos angenommen. Er hatte keine Ahnung, wie der Prozess ausgehen würde, doch eines war gewiss: Wenn nicht ein Wunder geschah, würden seine Eltern für Jahre im Gefängnis bleiben. Das bedeutete, dass er den Machtkampf, der gleich am Tag nach den Verhaftungen begonnen hatte, gewinnen musste.
    Mit seinen einundzwanzig Jahren war er viel zu jung für die Nachfolge seines Vaters, das war allen klar, aber Kristof hatte Männer um sich geschart, von denen er wusste, dass sie zwar machthungrig, aber innerhalb der Organisation zu isoliert waren, um eine Meuterei anzuzetteln und sich gegen ihn aufzulehnen.
    In der Erwartung, an seiner Seite Karriere zu machen, waren sie die idealen Verbündeten, ehrgeizige und verlässliche Einzelkämpfer. Mit ihrer Hilfe würde er Alex fertigmachen, und er würde alle ausschalten, die es wagten, sich ihm in den Weg zu stellen.
    Mit dreizehn hatte der Vater ihn und Alex ins Geschäft geholt, ihnen den einen oder anderen kleinen Auftrag erteilt und sie behutsam eingearbeitet. Sorgsam hatte er darauf geachtet, sie zu schützen und ihre Spuren zu verwischen.
    Seite an Seite hatten sie die ersten Schritte getan, den Geschmack der Macht gekostet und waren süchtig nach mehr geworden. Beiden hatte man Begabung nachgesagt, denn beide waren die Söhne von Paten .
    Leo Machelett und Michail Koppatsch, Alexejs Vater, hatten die Organisation aufgebaut. Wie ihre Söhne später auch, waren sie gemeinsam ihren Weg gegangen, hatten gleichberechtigt nebeneinander an der Spitze des Unternehmens gestanden. Bis Michails plötzlicher Tod die Machtverhältnisse brutal verändert hatte.
    »Es wird Zeit, Alexej zu finden«, sagte Kristof.
    Die acht Männer, die um den Tisch saßen, waren dieser Herausforderung gewachsen. Sie stöberten jeden auf, sofern sie genug Geld dafür bekamen. Kühl gaben sie Kristofs Blick zurück. Sie alle hatten eine bewegte Vergangenheit hinter sich und jede Menge Leichen im Keller. Jeder von ihnen arbeitete sauber und sicher.
    Wenn jemand Alex aufspüren konnte, dann sie.
    »Sechzehn Monate sind vergangen, seit er untergetaucht ist«, sagte Kristof. »Seit sechzehn Monaten wird der Prozess von unseren Anwälten verschleppt. Die kennen jeden Kniff, allerdings geht das nicht ewig so weiter. Wichtig ist es, jetzt keine Fehler zu machen. Aber wem sage ich das.«
    Es konnte nicht schaden, den Männern dann und wann zu schmeicheln, auch wenn sie so gut wie keine Reaktion auf seine Worte zeigten. Letztlich zahlte es sich aus, sie anständig zu behandeln. Das war auch immer Leos Credo gewesen.
    »Ich habe unsere speziellen Kontakte zu den Bullen damals gleich angezapft, leider vergeblich. Wenn es um Zeugenschutz geht, halten die selbst untereinander dicht. Da weiß die eine Hand nicht, was die andere tut. Ihr müsst Alexej also auf andere Art und Weise finden.«
    Sie nickten und Kristof war froh darüber. Es verunsicherte ihn, wenn sie sich hinter ihren Pokerfaces verschanzten. Im tiefsten Innern war er sich ihrer Loyalität nie hundertprozentig sicher.
    »Alex wird ihr Kronzeuge sein. Wir müssen ihn stoppen, dann können wir das Ruder vielleicht doch noch herumreißen.«
    War das Eifer, der in ihren Gesichtern aufleuchtete? Oder bloß der Hass auf den Verräter aus den eigenen Reihen?
    »Irgendein Anhaltspunkt?«, fragte einer.
    Kristof schüttelte den Kopf.
    »Kein einziger.«
    Arschloch, dachte er. Wenn ich einen Anhaltspunkt hätte, würde ich euch bestimmt nicht losschicken. Dann wäre das hier eine Sache zwischen Alex und mir.
    »Und wenn wir ihn finden?«, fragte ein anderer.
    »Meldung an mich«, entschied Kristof, ohne zu zögern. »Und sofortiger Rückzug.«
    Jetzt war eindeutig, was in den Gesichtern zu lesen war: Enttäuschung. Die Enttäuschung von Jagdhunden, die man zwang, die apportierte Beute vor den Füßen des Jägers abzulegen.
    »Okay.« Kristof schob seinen Stuhl zurück.

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