Der Sommerfaenger
dämpfte seine Stimme.
»Komm, Kristof. Wir wissen doch beide, dass da mehr drin ist.«
Er hatte recht. Seine Information war mit Gold nicht aufzuwiegen. Dass er sich wehrte, nötigte Kristof sogar widerwillig Respekt ab.
»Wie viel willst du?«
»Fünftausend.«
Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. Wahrscheinlich hatte Marco diese Zahl von Anfang an im Kopf gehabt. Kristof lehnte sich zurück und ließ den Blick auf den traurigen Aknenarben in Marcos Gesicht ruhen. Er wäre bereit gewesen, wesentlich mehr zu zahlen. Marco lebte ein völlig anderes Leben, er kannte sich mit den Größenordnungen solcher Geschäfte nicht aus.
»Okay«, sagte er gedehnt, rührte sich jedoch nicht von der Stelle.
Marco wand sich unter seinem Blick. Schweißperlen hatten sich auf seiner Oberlippe gebildet. Als einer der Hunde aufstand und sich geräuschvoll schüttelte, zuckte Marco zusammen und saß dann wie erstarrt, bis der Hund sich wieder niederlegte.
Kristof ging zum Safe in der Wand und öffnete ihn. Bislang hatte das nicht zu seinen Aufgaben gehört. Seine Füße passten noch nicht in die Fußstapfen seines Vaters, das wurde ihm schmerzlich bewusst. Ich vermisse dich, dachte er. Ich brauche dich. Ich bin noch nicht so weit.
Doch Angst war ein Luxus, den er sich nicht leisten konnte.
Augen zu und durch.
Das sagte sein Vater immer. Es war nicht der schlechteste Leitspruch. Und hatte Kristof denn eine Wahl?
Als er sich wieder zu Marco umdrehte, bedauerte er es über die Maßen, gute Miene zum bösen Spiel machen zu müssen, aber er konnte nicht riskieren, diesem schmierigen Typen eine Abreibung zu verpassen und damit die Aufmerksamkeit der Bullen auf sich zu lenken.
Vielleicht später, dachte er, wenn das alles vorbei ist.
Marco stand auf, um das Geld in Empfang zu nehmen. Seine Hände zitterten. Es war nicht zu erkennen, ob vor Gier oder aus Furcht. Nachdem er Kristof die Adresse gegeben und das Haus verlassen hatte, riss Kristof trotz der Hitze die Fenster auf.
Zehn Minuten länger und er wäre dem erbärmlichen Denunzianten an die Gurgel gegangen.
Allmählich beruhigte er sich. Beinah feierlich tastete er nach dem Zettel in seiner Hosentasche, um sich zu vergewissern, dass er nicht träumte.
Er hatte Alex gefunden.
Den Zettel würde er nicht mehr brauchen. Straße und Hausnummer hatten sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Er würde sie in seinem ganzen Leben nicht mehr vergessen.
*
Seit dem verpatzten Date in Köln war eine Woche vergangen. Eine sonderbare Befangenheit hielt uns davon ab, über das Erlebnis in der Fußgängerzone zu sprechen. Ich hatte es einmal versucht, doch Luke war mir ausgewichen.
Manchmal erfüllte er wirklich das dumme Klischee vom Mann, der alles mit sich allein abmacht, und manchmal nahm ich ihm das richtig übel.
Aber etwas an ihm war anders. Jeden Abend kam er jetzt zu mir nach Birkenweiler. Und blieb über Nacht.
Morgens zwinkerte mir Mike verschwörerisch zu und Ilka konnte gar nicht mehr aufhören zu grinsen. Bloß Merle schien es zu stören, dass Luke mit uns am Frühstückstisch saß. Sie richtete das Wort nur an ihn, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Ansonsten zog sie es vor, ihn zu ignorieren. Obwohl er doch genau das tat, was er ihrer Meinung nach viel zu selten getan hatte: Er war bei mir.
Niemanden überraschte das mehr als mich selbst.
Immer wenn ich Luke anschaute, ertappte ich ihn dabei, wie er mich verstohlen betrachtete. Jedes Mal wenn ich an ihm vorbeiging, berührte er mich zärtlich. Seine Küsse waren hungrig und voller Verlangen.
Unsere Nächte waren viel zu kurz.
»Vergiss das nie«, flüsterte er mir ins Ohr. »Versprich es mir.«
»Was?«
»Dass ich dich liebeliebeliebe.«
»Quatschkopf.«
Ich verschloss seinen Mund mit einem langen Kuss.
»Versprich es.«
»Erst sag es noch mal.«
»Was?«
»Dass du mich liebliebliebst.«
»Ich liebe dich …«
Im Dunkeln konnte ich fühlen, wie er mich ansah. Sacht fuhr ich mit der Zungenspitze an seinen Wimpern entlang.
»Okay. Ich versprech’s.«
»Vergiss es nie«, flüsterte er. »Egal was passiert.«
»Egal was passiert«, murmelte ich. »Versprochen.« Ich lächelte, aber ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus.
Als wir endlich einschliefen, Arme und Beine ineinander verflochten, wurde es draußen schon wieder hell.
*
Immer wieder musste er Jette ansehen. Er liebte ihr Morgengesicht, umrahmt von dem noch feuchten, nach Shampoo duftenden Haar. Liebte ihre Augen, die einfach
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