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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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hilf mir auf«, sagte ich.
    Er zog mich auf die Füße. Wir standen nebeneinander in dem verwahrlosten Garten. Er war viel größer als ich und versperrte mir mit seiner Größe und seinen breiten Schultern den Blick auf die tief stehende Sonne.
    Ich strich mit dem Daumen über seine Unterlippe. Ich hielt seinen schweren Kopf in meinen Händen, küsste ihn wieder, noch leidenschaftlicher und länger als zuvor. Mir war fürchterlich schwindlig, als hätte ich nicht ein Glas, sondern sechs Gläser Wein getrunken. Ich legte die Hände auf seinen Rücken, schob sie unter sein Hemd und presste mich an ihn. Er fühlte sich fest und stark an. Noch immer verhielt er sich passiv, ließ die Arme hängen. Ich nahm seine Hand und legte sie an meine heiße Wange. Dann führte ich ihn durch die Terrassentür zurück ins Wohnzimmer.
    Er ließ sich auf einen Stuhl sinken und starrte mich an.
    Ich knöpfte mein Shirt auf und setzte mich rittlings auf seinen Schoß.
    »Stadler«, sagte ich. »Cameron.«
    »Ich sollte das nicht tun«, flüsterte er. Er vergrub den Kopf zwischen meinen Brüsten. Ich fuhr ihm mit der Hand durchs Haar. »Ich sollte das wirklich nicht tun!« Er schloss die Augen. Dann lag er plötzlich auf mir, auf dem Boden, und ich spürte einen Schuh im Rücken. Die Borsten einer alten Haarbürste stachen mir in den linken Fuß, und überall war Staub. Er schob meinen Rock hoch und drang in mich ein, dort auf dem schmutzigen Boden.
    Keiner sagte ein Wort.
    Hinterher rollte er von mir herunter und blieb neben mir auf dem Rücken liegen, die Hände im Nacken verschränkt.
    Etwa zehn Minuten lagen wir einfach nur so da, Seite an Seite, schweigend, den Blick an die Decke gerichtet.
    Als Lynne zurückkam, hing Cameron ganz geschäftsmäßig an der Strippe, und ich las eine Zeitschrift.

    Wir verabschiedeten uns sehr formell, aber dann murmelte er plötzlich an Lynne gewandt, er habe etwas zu überprüfen vergessen, und folgte mir mit seiner Akte unter dem Arm in mein Schlafzimmer. Dort schob er mich rückwärts aufs Bett, küsste mich noch einmal, presste den Kopf an meinen Hals, damit Lynne sein Stöhnen nicht hörte, und versprach mir, sobald wie möglich wiederzukommen.
    Den Rest des Abends lag ich auf meinem Bett und tat, als würde ich lesen. Mein ganzer Körper prickelte. Ich blätterte nicht ein einziges Mal um, und ich las kein einziges Wort.

    7. KAPITEL
    ie geht’s weiter?«, fragte ich Lynne beim Frühstück.
    W Ich halte mich für eine Frau mit relativ viel Phantasie, aber diese Sache ging über mein Vorstellungsvermögen. Ich hatte am Vortag mit einem Mann geschlafen, den ich kaum kannte. Jetzt saß ich nicht mit diesem Mann beim Frühstück, sondern mit einer Frau, die ich kaum kannte.
    Ich war an diesem Morgen aus einem turbulenten Traum erwacht, den ich sofort wieder vergaß. Stattdessen fielen mir die Ereignisse der beiden vorhergehenden Tage wieder ein. Das alles erschien mir so unglaublich, wie ein grausames Zerrbild der Realität, aber als ich einen Blick aus dem Fenster warf, sah ich draußen Lynne in ihrem Wagen sitzen und stumpfsinnig vor sich hin starren. Was für ein Job! Verglichen damit stellte mein eigenes Leben ja fast eine intellektuelle Herausforderung dar. Nachdem ich zirka zwei Minuten darauf verwandt hatte, mich zu waschen, mir die Zähne zu putzen, die Haare zu bürsten und mich anzuziehen, ging ich nach draußen und klopfte an Lynnes Wagenfenster. Sie zuckte erschrocken zusammen. Eine tolle Leibwächterin!
    Ich teilte ihr mit, dass ich uns etwas zum Frühstück holen wollte, und sie bestand darauf, mich zu begleiten.
    Wir gingen in die Bäckerei und kauften ein paar Croissants, von denen sie die Hälfte bezahlte. Ich spielte mit dem Gedanken, sie alle bezahlen zu lassen, weil ich normalerweise nicht frühstücke, es sei denn, es gibt einen ganz besonderen Anlass.
    Als wir vom Einkaufen zurück waren, kochte ich Kaffee.

    Im Kühlschrank fand sich sogar noch ein Glas mit Resten von Erdbeermarmelade. Nachdem wir uns am Tisch niedergelassen hatten, fragte ich sie, wie es denn nun weitergehe.
    »Wir kümmern uns um Ihre Sicherheit«, antwortete sie, als hätte sie den Satz auswendig gelernt.
    Ich biss ein großes Stück von meinem Croissant ab und spülte es mit einem Schluck Kaffee hinunter. Wenn ich meine Regel, nicht zu frühstücken, erst mal gebrochen habe, stelle ich sicher, dass ich sie richtig breche. Ich ließ mir ziemlich viel Zeit, ehe ich weitersprach – nicht zum Nachdenken,

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