Der Sommermörder
BH tastete und feststellte, dass ich keinen trug.
»Möchtest du, dass ich aufhöre?«
»Ich weiß nicht. Nein.«
Er nahm mich an der Hand und führte mich ins Schlafzimmer. Es war anders als am Vortag: entspannter, bewusster, langsamer. Ich setzte mich aufs Bett. Er ging zum Fenster und ließ die Jalousie herunter. Nachdem er auch noch die Schlafzimmertür geschlossen hatte, zog er seine Jacke aus und nahm die Krawatte ab. Mir ging durch den Kopf, dass es für mich eine völlig neue Erfahrung war, Sex mit einem Mann zu haben, der erst mal Anzug und Krawatte ablegen musste.
»Ich hab die ganze Zeit an dich gedacht«, sagte er.
»Immer wenn ich die Augen schließe, sehe ich dich vor mir. Was sollen wir nur tun?«
» Ziehdich aus«, erwiderte ich.
»Was?« Er blickte an sich hinunter, so als würde es ihn überraschen, dass er seine Kleider noch anhatte.
Wie in Trance zog er seine Sachen aus und warf sie auf einen Stuhl. Dabei ließ er mich keinen Moment aus den Augen. Ich streckte die Arme nach ihm aus.
»Warte«, sagte er. »Warte. Lass mich. Nadia.«
Voller Lust gab ich mich ihm hin, und hinterher, als es vorbei war und wir ineinander verschlungen dalagen, ließ er mich noch immer nicht aus den Augen, streichelte zärtlich mein Haar und flüsterte meinen Namen, als wäre er eine Art Zauberspruch. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir uns voneinander lösten.
»Das war schön«, sagte ich, den Ellbogen auf ein Kissen gestützt.
»Nadia. Nadia.«
»Ich bin total durcheinander.«
Damit hatte ich den Bann gebrochen. Er wich ein wenig zurück, ein Schatten huschte über sein Gesicht, und er biss sich auf die Lippe. »Kann ich ehrlich zu dir sein?«, fragte er.
Plötzlich war mir kalt. »Bitte.«
»Dieser Job ist mein Leben«, erklärte er. »Und das hier
…«
»Du meinst das«, sagte ich und deutete auf das Bett, in dem wir lagen.
Er nickte. »Ich dürfte das nicht. Es ist strikt verboten.«
»Ich werde es niemandem verraten«, beruhigte ich ihn.
»Ist es das, was dir Sorgen bereitet?«
»Nein«, antwortete er mit rauer Stimme.
»Was ist es dann?« Er gab mir keine Antwort.
»Verdammt noch mal, nun rück endlich raus damit!«
»Ich bin verheiratet«, sagte er. »Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid!«
Mit diesen Worten begann er zu weinen. Ich lag mit einem nackten, weinenden Detective im Bett. Unsere Beziehung war gerade mal achtzehn Stunden alt, und wir waren schon vom ersten Taumel der Lust zu Tränen und Vorwürfen übergegangen. Kein gutes Gefühl. Wortlos starrte ich ihn an. Ich brachte es nicht über mich, ihn zu streicheln oder mit zärtlichen Worten zu trösten.
Schließlich stieß er einen tiefen Seufzer aus. Offenbar hatte er sich wieder gefangen. »Nadia?«
»Ja?«
»Sag was!«
»Was willst du denn hören?«
»Bist du wütend auf mich?«
»Ach, Cameron«, antwortete ich. »Bloß sauer. Ich nehme an, du fühlst dich von deiner Frau unverstanden?«
»Nein, nein … ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass ich dich will. Ich spiele nicht mit dir, Nadia, das schwör ich dir. Ich begehre dich so sehr. Du bedeutest mir so viel, dass ich überhaupt nicht weiß, was ich jetzt tun soll.
Verstehst du das? Wie denkst du darüber? Nadia, sag mir, wie du darüber denkst.«
Ich warf einen Blick auf meinen Wecker, der in Gestalt eines Frosches auf dem Nachttisch thronte. Dann beugte ich mich zu Cameron hinüber und küsste ihn auf die Brust.
»Wie ich darüber denke? Es ist ein Prinzip von mir, nicht mit verheirateten Männern zu schlafen. Ich habe dabei ein schlechtes Gefühl, weil ich immer an die Frau denken muss. Aber das ist wohl in erster Linie dein Problem, nicht meins. Außerdem denke ich, dass Lynne in ungefähr sieben Minuten wieder auf der Matte stehen wird.«
Es war schon fast zum Lachen, mit welcher Geschwindigkeit wir uns ankleideten.
»Vielleicht sollte ich eine andere Hose anziehen«, meinte ich.
»Bloß, um Lynnes detektivische Fähigkeiten zu testen.«
»Nein!« Camerons Miene wirkte leicht panisch.
»War doch nur Spaß.«
Wir küssten uns, und gleichzeitig lächelten wir einander an. Verheiratet. Wieso musste er verheiratet sein?
Das war am Mittwoch. Am Donnerstag hatte er keine Zeit, sodass wir lediglich kurz telefonieren konnten. Da sich Lynne im Raum aufhielt, wurde es ein seltsames Gespräch mit leidenschaftlichen Beteuerungen auf seiner Seite und nichts sagenden Bemerkungen auf meiner: Ja.
Ja. Natürlich. Ja. Das empfinde ich auch so. Ja, gut.
Am Freitag
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