Der Sommermörder
Morgen fiel ein Team von Männern in meine Wohnung ein, um an sämtlichen Türen neue Schlösser anzubringen und alle Fenster mit Eisengittern zu sichern.
Kurz nach Mittag erschien dann Cameron, und Lynne musste weg, um einen Bericht abzuliefern. Wir hatten Zeit für ein Bad.
»Ich würde gern deine Show sehen«, erklärte er. »Dir zusehen, wie du vor den Kindern auftrittst.«
»Dann komm doch morgen mit«, schlug ich vor. »Da sind wir bei einer Gruppe von Fünfjährigen. Hier ganz in der Nähe, in Primrose Hill, bloß ein Stück die Straße rauf.«
»Ich kann nicht«, antwortete er und wandte den Blick ab.
»Oh«, sagte ich in zickigem Ton und hasste mich sofort dafür.
»Familiäre Verpflichtungen.«
»Ich kann mich da nicht abseilen«, sagte er. »Wenn ich könnte, würde ich es.«
»Schon gut.« Genau aus diesem Grund schlief ich sonst nicht mit verheirateten Männern – am Ende blieben nur Scham, Schmerz und Schuldgefühle.
»Bist du jetzt sauer?«
»Überhaupt nicht.«
»Bist du sicher?«
»Wäre es dir lieber, ich wäre es?«
Er nahm meine Hand und presste sie gegen seine Wange. »Ich bin verliebt, Nadia. Ich habe mich in dich verliebt.«
»Sag so was nicht! Das macht mir Angst. Es macht mich zu glücklich.«
Sie glaubt, dass niemand sie sehen kann. Ich sehe sie.
Sehe, wie sie sich küssen. Mein Mädchen und der Polizist küssen sich. Treiben es auf dem Boden. Während er am Fenster steht, um die Jalousie herunterzulassen, sehe ich auf seinem blöden Gesicht den verzückten, dümmlichen Gesichtsausdruck eines verliebten Mannes.
Ich liebe sie mehr als er. Niemand kann sie so lieben, wie ich sie liebe. Sie sehen alle in die falsche Richtung. Sie suchen nach Hass. Liebe: Das ist der Schlüssel.
8. KAPITEL
ünf- und sechsjährige Mädchen sind das beste Publikum
F
. Lieb und voller Bewunderung sitzen sie dekorativ aufgereiht in ihren seidigen, pastellfarbenen Kleidchen da, die Haare zu Zöpfen geflochten, die Füße in Lackschuhen. Wenn ich eines von ihnen bitte, nach vorn zu kommen und mir zu helfen, schiebt es vor Aufregung den Daumen in den Mund und spricht nur im Flüsterton.
Am schlimmsten sind acht- und neunjährige Jungen. Sie machen blöde Bemerkungen, tun lautstark kund, dass sie genau wissen, dass der verschwundene Gegenstand in meiner Tasche steckt, schubsen sich gegenseitig herum und drängen nach vorn, um meinen Zauberkasten zu inspizieren. Sie lachen höhnisch, wenn ich beim Jonglieren einen Ball fallen lasse. Das Puppentheater ist etwas für Memmen, sagen sie. Sie singen ›Happy Birthday‹ mit lauter, spöttischer Stimme und bringen alle Luftballons zum Platzen. Zach und ich haben eine Regel, die wir niemals brechen: keine zweistelligen Geburtstage!
Diese Party war für fünfjährige Jungs und ein paar im Randbereich herumschwirrende Mädchen. Sie fand in einem großen, schönen Haus in Primrose Hill statt, zu dessen Eingangstür eine breite Treppe hinaufführte. Die Diele hatte eher die Ausmaße einer Halle, in der man mehrere Räder schlagen konnte, ehe man die andere Seite des Raums erreichte. Die Küche war so groß wie meine ganze Wohnung, und das riesige, mit einem hellen, flauschigen Teppich ausgelegte Wohnzimmer, in dem die Kinderschar herumtobte, ging auf eine Terrasse hinaus, an die sich ein weitläufiger, gepflegter Garten mit einem Goldfischteich, bogenförmigen Spalieren, sauber getrimmten Buchshecken und schönen weißen Rosen anschloss.
»Mannomann! Ganz schön schnieke!«, flüsterte ich Zach zu.
»Pass bloß auf, dass du nichts zerbrichst!«, flüsterte er zurück.
Das Geburtstagskind war ein kleiner, pummeliger Junge namens Oliver, der vor Aufregung ganz fleckige Wangen hatte. Seine Freunde sausten um ihn herum, während er das Geschenkpapier von seinen Päckchen riss. Seine Mutter, Mrs. Wyndham, war eine sehr große, sehr dünne und offensichtlich sehr reiche Frau, die schon jetzt schrecklich genervt wirkte, obwohl die Party gerade erst anfing. Sie musterte Zach und mich mit skeptischer Miene.
»Es sind vierundzwanzig«, erklärte sie. »Und alle ziemlich wild. Sie wissen ja, wie Jungs sind.«
»Allerdings«, antwortete Zach mit leidender Stimme.
»Kein Problem«, sagte ich. »Wenn die Kinder ein paar Minuten in den Garten hinausgehen, können wir hier drinnen alles vorbereiten.« Ich trat ins Wohnzimmer und klatschte in die Hände. »Jungs, geht doch bitte kurz in den Garten raus. Wenn wir bereit sind für die Show, rufen wir euch
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