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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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das, was ich jetzt brauche. Menschenmassen, Musik, billige Klamotten und Modeschmuck. Sie müssen ja nicht mitkommen.«
    »Natürlich komme ich mit.«
    »Ihnen bleibt nichts anderes übrig, stimmt’s? Arme Lynne, dauernd müssen Sie hinter mir herlaufen, immer freundlich zu mir sein, immer lügen. Bestimmt vermissen Sie Ihr normales Leben.«
    »Ich bin ganz zufrieden«, widersprach sie.
    »Ich weiß, dass Sie keinen Ehering tragen. Haben Sie einen Freund?«
    »Ja.« Die vertraute Röte breitete sich auf ihrem bleichen Gesicht aus und brachte ihr Muttermal zum Leuchten.
    »Hmmm. Bestimmt wäre es Ihnen lieber, wenn das alles schon vorbei wäre. So oder so. Aber nun lassen Sie uns aufbrechen. Es sind ja nur fünf Minuten zu gehen.«

    Lynne hatte recht gehabt. Es war ein heißer Tag, der Himmel wölbte sich in einem blassen, schmutzigen Blauton über der Stadt, und auf dem Camden Market war die Hölle los. Lynne trug eine Wollhose und schwere Schuhe. Ihr Haar hing ihr in vom Schweiß nassen Strähnen ins Gesicht. Bestimmt schmilzt sie fast vor Hitze, dachte ich mit einer gewissen Genugtuung. Ich hatte ein zitronengelbes, trägerloses Kleid und flache Sandalen angezogen und mein Haar zurückgebunden. Obwohl die Gehsteige bereits von der Sonne aufgeheizt waren, fühlte ich mich angenehm frisch und leicht. Während ich mich umsah, spürte ich, wie in mir Euphorie aufstieg, weil ich mich endlich wieder unter Menschen befand. Ich betrachtete die Rastas, die Punks, die Biker, die Mädchen in ihren hellen Kleidern oder gebatikten Röcken, die Männer mit den narbigen Gesichtern und den wachsamen Blicken, die vorbeilatschenden, sich cool gebenden Teenager. Ich legte den Kopf zurück und atmete den Geruch von Patschuliöl und Dope ein, von Räucherstäbchen und Duftkerzen und gutem ehrlichem Schweiß.
    An den Ecken gab es Stände, die frisch gepresste Säfte verkauften, und ich holte uns beiden ein Glas Mango-Orangensaft und eine Brezel. Dann erstand ich zwanzig dünne Silberreifen und schob sie mir übers Handgelenk, wo sie genau so schön klirrten, wie ich mir das vorgestellt hatte. Außerdem leistete ich mir einen fließenden Seidenschal, ein Paar winzige Ohrringe und ein paar extravagante Haarklammern. Nichts, was ich nicht sofort tragen konnte. Ich wollte keine Tüten mit mir herumschleppen. Dann, als Lynne gerade eine Holzschnitzarbeit begutachtete, verschwand ich einfach.
    Es war kinderleicht.
    Rasch lief ich die Treppe zum Kanal hinunter und rannte den Fußweg entlang, bis ich zur Hauptstraße gelangte. Es war noch immer viel Betrieb. Ich zog den Kopf ein und schlängelte mich zwischen den Leuten hindurch. Selbst wenn Lynne in diese Richtung kam, um nach mir Ausschau zu halten, würde sie mich nicht entdecken.
    Niemand würde mich sehen können, nicht mal er mit seinen Röntgenaugen. Endlich war ich allein.
    Ich fühlte mich frei, fast wie ein neuer Mensch, von jeglicher Last befreit. Ich wusste genau, wo ich hinwollte, die Route hatte ich mir gestern Abend zurechtgelegt. Nun hieß es schnell handeln, bevor jemand dahinter kam, wo ich war.

    Ich musste ein paarmal klingeln. Vielleicht war er bereits unterwegs, obwohl die Vorhänge der oberen Fenster noch zugezogen waren. Dann aber hörte ich Schritte und einen gedämpften Fluch.
    Der Mann, der an die Tür kam, war größer, jünger und attraktiver, als ich erwartet hatte. Er besaß helles Haar, das ihm lässig ins Gesicht hing, und helle Augen in einem gebräunten Gesicht. Er trug Jeans, sonst nichts.
    »Ja?«, fragte er nicht gerade freundlich. Er wirkte verschlafen.
    »Sind Sie Fred?« Ich versuchte ihn anzulächeln.
    »Ja. Kennen wir uns?« Seine Stimme klang gelangweilt und sehr selbstsicher. Ich stellte mir Zoë neben ihm vor, wie sie mit ihrem hübschen, lebhaften Gesicht zu ihm aufblickte.
    »Tut mir Leid, wenn ich Sie geweckt habe, aber es ist dringend. Kann ich reinkommen?«
    Er hob die Augenbrauen. »Wer sind Sie?«
    »Mein Name ist Nadia Blake. Ich bin hier, weil ich von demselben Mann bedroht werde, der Zoë umgebracht hat.«
    Ich war davon ausgegangen, dass er überrascht sein würde, aber mit einer so heftigen Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Meine Worte schienen ihn wie ein Faustschlag zu treffen. Sie hauten ihn fast um.
    »Was?«, fragte er.
    »Kann ich reinkommen?«
    Er trat einen Schritt zurück und hielt mir die Tür auf.
    Offenbar war er noch immer ganz benommen. Rasch schob ich mich an ihm vorbei, ehe er es sich anders überlegen konnte. Er

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