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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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gesehen hatte, ausgerechnet diese grobe, bösartige Zeichnung, die mich zum Weinen brachte. Sie führte mir vor Augen, was sich ein einzelner Mensch alles ausdenken konnte, um einen anderen zu zerstören. Ich überflog die Analyse der Dokumente. Es hatte Versuche gegeben, die Briefe mit Leuten aus Zoës Bekanntenkreis in Verbindung zu bringen: ihrem Freund Fred, einem Exfreund, einem Immobilienmakler, einem potenziellen Käufer ihrer Wohnung. Anhand der Zeichnung aber konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass der Mörder Linkshänder war (und wie aus einer hinzugefügten Anmerkung hervorging, hatten die an der Leiche von Jennifer Hintlesham festgestellten Verletzungen das bestätigt), während es sich bei allen genannten Verdächtigen um Rechtshänder handelte.
    In den Berichten der Spurensicherung ging es um Staubpartikel, Stofffasern, Haare und alles Mögliche andere. Vieles davon war so technisch, dass ich nicht feststellen konnte, ob etwas von Bedeutung gefunden worden war. Die kurze Zusammenfassung, die für Links, Cameron und andere Mitglieder des Ermittlungsteams kopiert worden war, besagte, dass zwischen den Spuren, die an den beiden Tatorten sichergestellt worden waren, keine wirklich nennenswerten Parallelen bestanden. Die Haare und Stofffasern auf Zoës Kleidung, die man außerdem auf dem Teppich, dem Bettzeug und anderen Kleidungsstücken gefunden hatte, stammten nur von Zoës Freund Fred, der ja häufig bei ihr ein- und ausgegangen war, und von Zoë selbst. Die Analyse des Tatorts im Haus von Jennifer Hintlesham war wesentlich komplizierter ausgefallen. Da sich im Haus Scharen von Leuten aufgehalten hatten, war es nicht möglich gewesen, alle gefundenen Haare und Stofffasern zuzuordnen. Fest stand jedoch, dass die Spurensicherung auf kein Bindeglied zwischen den beiden Tatorten gestoßen war, abgesehen von einem silbernen Medaillon, das Jennifer gehört hatte und in Zoës Wohnung gefunden worden war, und einem Foto von Zoë, das man in Jennifers Haus sichergestellt hatte.
    Außerdem überflog ich eine Reihe interner Memos, die den jeweiligen Stand der Ermittlungen festhielten, einschließlich einer informellen internen Mitteilung, die mit dem Vermerk »Höchste Geheimhaltung« versehen war. Daraus ging hervor, dass die Beamten, die Jennifer Hintlesham bewacht hatten, abgezogen worden waren, weil man ihren Mann Clive des Mordes an Zoë Haratounian angeklagt hatte. Was für ein Durcheinander!
    Ich war schon fast im Begriff, Cameron wieder hereinzurufen, als ich beschloss, noch einen kurzen Blick in eine Akte zu werfen, die nicht besonders interessant aussah. Sie enthielt Terminpläne, Sitzungsprotokolle, Pläne für Urlaubsvertretungen. Dann aber sprang mir ein fotokopiertes Memo ins Auge. Es war von Links, an einen gewissen Dr. Michael Griffen adressiert und in Fotokopie an Stadler, Grace Schilling, Lynne und ein Dutzend anderer gegangen, deren Namen mir nichts sagten. Der Anfang bezog sich offenbar auf eine Beschwerde Dr. Griffens. Demnach war die Spurensicherung an den ersten beiden Tatorten, insbesondere in der Wohnung von Zoë Haratounian, dadurch erschwert worden, dass die Beamten, die als Erste am Tatort eintrafen, falsche Maßnahmen ergriffen hatten:

    Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um dafür zu sorgen, dass jeder zukünftige Tatort rasch und effektiv versiegelt wird. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass aller Wahrscheinlichkeit nach – und nicht zuletzt wegen der Schwierigkeiten, die sich im Hinblick auf den Personenschutz in der Praxis ergeben – die Lösung dieses Falls in den Händen von Wissenschaftlern aus dem Bereich der Gerichtsmedizin und Spurensicherung liegen wird, sodass wir bemüht sein werden, so eng wie möglich mit Ihnen zusammenzuarbeiten.

    Ich rief nach Cameron, der Sekunden später im Raum stand. Hatte er mich durchs Fenster beobachtet? Und wenn schon!
    »Sieh dir das an«, sagte ich und reichte ihm die Notiz.
    »›Jeder zukünftige Tatort‹. Nicht gerade ein Beweis für euer Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.«
    Nachdem er einen kurzen Blick auf den Text geworfen hatte, heftete er ihn wieder ab. »Du wolltest die Akten ja unbedingt sehen«, sagte er. »Natürlich müssen wir für jede Eventualität gerüstet sein.«
    »Von meinem Standpunkt aus stellt sich das Ganze etwas anders dar«, entgegnete ich. »Der zukünftige Tatort, von dem hier die Rede ist, das bin ich. Ich.«
    »Wie ist es dir beim Lesen ergangen?«
    »Es war schrecklich«, erwiderte ich.

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