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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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»Aber ich bin froh, dass ich Bescheid weiß.«
    Cameron begann die Akten einzusammeln und auf die Schachteln und Mappen zu verteilen.
    »Wir sind uns nicht sehr ähnlich«, stellte ich fest.
    Er hielt inne.
    »Was?«
    »Ich dachte, wir wären alle derselbe Typ. Ich weiß, dass das anhand von Fotos und ein paar Personen schwer zu beurteilen ist, aber ich habe trotzdem den Eindruck, dass es sich bei uns dreien um total unterschiedliche Frauen handelt. Zoë war jünger und vom Typ her garantiert ein bisschen weicher als ich. Und was Jennifer betrifft, sieht sie aus wie ein Mitglied der königlichen Familie. Ich glaube nicht, dass sie für jemanden wie mich viel Zeit erübrigt hätte.«
    »Möglich«, antwortete Cameron. Sein wehmütiger Tonfall versetzte mir einen Stich. Er hatte sie gesehen, mit ihr gesprochen. Er wusste, wie ihre Stimme geklungen hatte. Er kannte ihre Gestik, all die kleinen Eigenarten, denen kein offizieller Bericht je gerecht werden kann.
    »Sie waren auch so klein«, sagte er.
    »Was?«
    »Du bist genau so klein und zierlich wie die beiden anderen. Und du lebst ebenfalls in Nord-London.«
    »Das ist ja eine tolle Ausbeute«, sagte ich.
    »Wochenlange Ermittlungen und zwei tote Frauen, und ihr wisst immerhin schon, dass der Mörder nicht auf einsachtzig große Bodybuilderinnen steht und sich keine Frauen aussucht, die in Afrika oder Australien leben.«
    Er hatte alles zusammengepackt.
    »Ich muss jetzt gehen«, erklärte er. »Lynne wird gleich hier sein.«
    »Cameron?«
    »Ja.«
    »Ich werde es deiner Frau nicht sagen. Auch nicht Links oder sonst jemandem.«
    »Gut.«
    »Aber ich hätte es getan.«
    »Das habe ich mir schon gedacht.«
    Inzwischen waren wir in Gegenwart des anderen ein wenig verlegen. Ich empfand dabei jenes unangenehme Gefühl, das man hat, wenn man mit jemandem nackt war und ihn plötzlich überhaupt nicht mehr begehrt. In meinem Fall kam außerdem der dringende Wunsch hinzu, mich in meinem Schlafzimmer zu vergraben, um mich so richtig auszuweinen und ein paar Stunden lang übers Sterben nachzudenken.
    »Nadia?«
    »Ja?«
    »Das alles tut mir so Leid. Es war so … so …« Er hielt inne und rieb sich das Gesicht. Dann sah er sich um, als hatte er plötzlich Angst, Lynne könnte bereits im Raum stehen. »Ich habe noch etwas.«
    »Was?« Der Ton seiner Stimme sagte mir bereits, dass es sich um keine guten Nachrichten handelte.
    Er griff in die Innentasche seiner Jacke und zog ein Blatt Papier heraus. Genauer gesagt, zwei Blätter. Er faltete sie auseinander und strich sie auf dem Tisch glatt. »Die haben wir in den letzten Tagen abgefangen.«
    »Wie?«
    »Einer ist mit der Post geschickt worden. Den anderen hat er wahrscheinlich persönlich durch den Türschlitz geschoben.«
    Ich starrte auf die beiden Blätter.
    »Das hier war der Erste«, erklärte er und deutete auf den linken Brief. Der Text lautete:

    Liebe Nadia,
    ich möchte dich zu Tode ficken. Und ich möchte, dass du darüber nachdenkst.

    »Oh«, sagte ich.
    »Der andere ist vor zwei Tagen gekommen.«

    Liebe Nadia,
    ich weiß nicht, was die von der Polizei dir erzählen.
    Sie können mich nicht aufhalten, das wissen sie. In ein paar Tagen oder einer Woche oder zwei Wochen wirst du tot sein.

    »Ich wollte ehrlich zu dir sein«, sagte Cameron.
    »Weißt du, bisher war es ein winziger Trost für mich, dass ich nur einen einzigen von diesen Briefen bekommen hatte. Ich dachte, er würde vielleicht jemand anderen umbringen.«
    »Tut mir Leid«, sagte er, während er sich erneut im Raum umblickte. »Ich muss schleunigst dieses Zeug in den Wagen schaffen. Aber es tut mir wirklich sehr Leid.«
    »Ich werde sterben, nicht wahr?«, fragte ich. »Das denkst du doch bestimmt, oder?«
    »Nein, nein«, antwortete er, während er auf die Tür zusteuerte.
    »Dir wird nichts passieren.«

    13. KAPITEL
    ch gehe zum Camden Market«, erklärte ich. »Jetzt sofort.«
    I Lynne starrte mich verwirrt an. Es war Samstagmorgen, kurz nach neun. Wahrscheinlich hatte sie sich inzwischen daran gewöhnt, dass ich ewig im Bett blieb und nach Möglichkeiten suchte, allein zu sein. Die letzten zwei Tage war ich in meinem Albtraum gefangen gewesen, hatte immer wieder diese Fotos vor Augen. Zoë, die aussah, als würde sie bloß schlafen. Jenny, obszön verstümmelt. Hier aber stand ich, gewaschen und angezogen, merkwürdig freundlich, bereit zum Aufbruch.
    »Bestimmt sind eine Menge Leute unterwegs«, gab sie in skeptischem Tonfall zu bedenken.
    »Genau

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