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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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ein, und es dauerte nicht lang, bis wir einander festhielten und lachten und kicherten wie Teenager. Dann hörte sie plötzlich auf, und ihre Miene wurde ernst.
    »Sie können nicht den Rest Ihres Lebens mit Schuldgefühlen herumlaufen«, sagte ich.
    »Wetten?«
    »Lieber nicht.«
    An einer Weggabelung blieb sie stehen. »Ich muss in diese Richtung«, erklärte sie. »Auf Wiedersehen, Nadia.«
    »Auf Wiedersehen.«
    Sie reichte mir die Hand, und ich schüttelte sie. Dann begann ich den Pfad zurückzugehen, den wir gekommen waren. Der Drachen segelte noch immer in der Luft.
    »Nadia!«
    Ich drehte mich um. »Ja?«
    »Sie haben uns gerettet!«, rief sie. »Uns, sich und die anderen Frauen, die nach Ihnen gekommen wären. Sie haben uns alle gerettet.«
    »Ich hatte nur Glück, Grace. Ich hatte nur Glück.«

    24. KAPITEL
    s war zu kalt für Schnee. Der Himmel war eisig blau, und auf den Gehsteigen
    E
    glitzerte noch der Frost der
    letzten Nacht. Mein Atem bildete in der Luft Dampfwolken, meine Augen tränten, meine Nase fühlte sich rot und wund an, und mein Kinn juckte, weil ich mir einen kratzigen alten Wollschal um den Hals gewickelt hatte. Es ging ein beißender Wind. Mit gesenktem Kopf eilte ich die Straße entlang.
    »Nadia? Nadia!« Eine junge Stimme von der anderen Straßenseite. Ich drehte mich um und kniff die Augen zusammen.
    »Josh?«
    Er war es tatsächlich. Obwohl er mit einer Gruppe von Jungen und Mädchen in seinem Alter unterwegs war, die alle in dicke Jacken und Mützen gepackt waren und sich gegenseitig übermütig anrempelten, kam er zu mir herüber. »Ich komme nach!«, rief er ihnen winkend zu. Er wirkte ein bisschen kräftiger, als ich ihn in Erinnerung gehabt hatte, nicht mehr ganz so blass und schmächtig.
    Ein paar Schritte vor mir blieb er stehen, und wir lächelten uns ein wenig verlegen an.
    »Joshua Hintlesham, ich habe oft an dich gedacht«, sagte ich, um einen freundlichen Ton bemüht.
    »Wie geht es dir?«
    »Ich bin noch am Leben.«
    »Das ist gut«, antwortete er, als bestünde da irgendein Zweifel. Er blickte sich nervös um. »Ich hätte mich schon längst mal melden sollen«, sagte er, »aber ich habe mich so mies gefühlt. Weil ich Morris zu dir geschleppt habe und so. Du weißt schon.«
    Es schien mir viel länger her zu sein als fünf Monate, dass er das letzte Mal auf meinem Sofa gesessen hatte.
    Damals war er ein Häuflein Elend gewesen. Ich wusste nicht so recht, was ich zu ihm sagen sollte, weil zu viel zwischen uns lag.
    »Hast du Zeit für einen Kaffee?« Er nahm seine Wollmütze ab. Ich sah, dass er sich die Haare leuchtend orangerot gefärbt hatte und einen Stecker im Ohr trug.
    »Was ist mit deinen Freunden?«
    »Das geht schon in Ordnung.«
    Schweigend gingen wir nebeneinander her, bis wir ein kleines italienisches Café fanden. Drinnen war es dunkel, stickig und verraucht. Auf der Theke stotterte eine Espressomaschine zischend vor sich hin.
    »Ah, das tut gut!«, seufzte ich, während ich mich von Mantel, Mütze, Schal und Handschuhen befreite.
    »Ich lade dich ein«, erklärte er betont lässig und klimperte mit den Münzen in seiner Tasche. Dabei wirkte er recht zufrieden mit sich und der Welt.
    »Meinetwegen, du Krösus! Ich nehme einen Cappuccino.«
    »Irgendwas zu essen?«, fragte er hoffnungsvoll.
    Ich wollte ihn nicht enttäuschen. »Eins von diesen Mandelcroissants.«
    Ich setzte mich an einen Ecktisch und beobachtete, wie er bestellte. Jennys ältester Sohn lehnte sich mit seinem orangefarbenen Haar über die Theke und versuchte, sich wie ein Mann zu benehmen und seine neue coole, selbstbewusste Art an mir auszuprobieren. Er musste inzwischen fünfzehn sein, dachte ich. Fast schon erwachsen. In ein paar Jahren würde er mit der Schule fertig sein.
    Er brachte mir den Kaffee und das Croissant. Für sich selbst hatte er eine Tasse heiße Schokolade bestellt, an der er nun vorsichtig nippte. Auf seiner Oberlippe bildete sich ein kleiner schaumiger Schnurrbart. Wieder lächelten wir uns an.
    »Ich hätte mich wirklich mal melden sollen«, wiederholte er.
    Wir nahmen beide einen großen Schluck von unserem Getränk und sahen uns über den Tassenrand hinweg an.
    »Ich habe gehört, dass du Morris ganz schön fertig gemacht hast«, sagte er.
    »Es hieß: Er oder ich.«
    »Hast du dabei wirklich ein Bügeleisen benutzt?«
    »Ja, habe ich.«
    »Damit hast du ihm bestimmt höllisch wehgetan.«
    »Das kann man wohl sagen!«
    »Ich nehme an, ich sollte mich darüber

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