Der Sonntagsmonat
schlafen. Seine Augen hatten Gift geschlürft. Begierde drohte seinen Schädel zu sprengen, Zorn seine Milz und Wollust seine Lenden. Er krümmte und wand sich; der Zwillingsleib neben ihm hatte aufgehört, sich auf derselben Welle zu drehen. Tom stand auf. Durch frostige Erfahrungen belehrt und aus Achtung vor dem Heraklitschen Fluß, der einige Wochen kälter sein mußte als zu der Zeit, da er sich das erste Mal hineingewagt hatte, denn es war inzwischen Dezember geworden und dem Kirchenjahr nach Advent, zog er nicht nur seine Pyjamahose an, sondern auch Socken (vermutlich nicht zueinander passende in der Dunkelheit, wenn diese Wahrscheinlichkeit auch dadurch vermindert wurde, daß ein hoher Prozentsatz seiner Socken schwarz war), Schuhe, und einen Mantel, in dessen Taschen Handschuhe steckten, und von dem Ständer unten im Hausflur (nachdem er mit den sklavischen, verräterischen Treppenstufen fertig geworden war) einen kleinen Wollhut, den ihm vor zehn Jahren seine damals noch lebende Mutter geschenkt hatte und den er, nachdem er ihn jahrelang nicht aufgesetzt hatte, weil er damit so komisch aussah, wie ein schottischer Wildhüter oder ein Bühnendetektiv, seit einiger Zeit wieder trug. Mutter, behüte mich. Sei mir Schutz und Schirm gegen Hagel und Kälte und Taubendreck.
Die blaue Nacht bellte, als ich die Tür öffnete. Kusch dich, Fido. Ein wenig Pulverschnee marmorierte den spröden Rasen. Ich hinterließ Spuren. Wohlbedacht, wenn nicht gar wohlmeinend, ging ich nicht schnurstracks auf die verhängnisvollen Fenster mit der stummen Lampe zu, die schon jener früheren Orgie Gestalt verliehen hatte, sondern hielt mich an den am Pfarrhaus entlangführenden Ziegelsteinweg, behutsam trippelnd, damit nicht mein Schlurfen die wohlig warme Nixonophobin oben aufscheuchte, und verließ meinen Rasen durch die dafür gedachte, mit einer Pforte versehene Lücke in der Hecke. Verstohlen näherte ich mich Neds Haus. Auf dem Pflaster vermischten sich meine Spuren mit denen der Unschuldigen, die bei Tage hier gegangen waren und deren Herzen nicht so irre gehämmert hatten wie meines. Horch! Von fern her kam in dem gespenstischen Gitternetz schneeverkrusteter Wege ein Wagen näher. Mir, der ich im Licht der Straßenbeleuchtung so deutlich zu sehen war wie ein Fleck auf einem Tischtuch, fiel nichts Besseres ein, als den einen Fleck mit dem andern zu verschmelzen – das heißt, die Tür von Alicias schwarzem Chevrolet aufzudrücken, die störrische Sitzlehne nach vorn zu stoßen, hinten hineinzukrabbeln und mich in einer Haltung auf den Boden zu hocken, in der ich, wäre ich ein Moslem und Mekka zugewandt gewesen, hätte beten können.
Minutenlang fror ich dort, motor immotus. Der mich umhüllende Duft der Bodenmatte, auf der ständig vertrocknete Orangenschalen und verlorene Marsh-Mallows lagen, war mir Universum genug. Überzeugt schließlich, daß meine kriminelle Entgleisung die civitas nicht alarmiert hatte, hockte ich mich etwas bequemer hin, zog mir meinen mich bemutternden Hut über die Ohren und versuchte, meiner Wange eine längere Bekanntschaft mit dem Waffelmuster der die Kardanwelle überwölbenden Gummimatte zu ersparen. Schläfrigkeit, so lange umworben, überfiel mich nunmehr, zu ungelegener Zeit.
An dieser Stelle fühle ich die Verpflichtung (du unersättlicher, du idealer Leser, du), von meinen Gedanken während dieser grotesken, aber irgendwie glücklichen Nachtwache zu berichten. Ich merke, daß ich in die erste Person geschlüpft bin – eine Höhere Weisheit, so möchte es sein, lenkt meinen Stil.
Irgendwie glücklich. Ich bin, als Amerikaner, immer glücklich gewesen in Automobilen. Ich erwarb meinen Führerschein so früh, wie das Gesetz es erlaubte. Ich wurde meines Vaters Chauffeur. Das erste Möbelstück, das ich fahren konnte. Eines Wagens fade, eingeschweißte Monotonie innerhalb seiner zweckmäßigen Geschwindigkeit. Ruhe im Fluß. Jene Rothaarige in der Dachkammer, die ich erwähnte (erinnerst du dich?), wurde ausgezogen und inspiziert (beides partiell) im submarinen Lichtschimmer des Armaturenbretts eines parkenden Wagens. Eine Generation und das dicke Ende einer Lebensspanne später wird mein sturer Dart ein Tragflügelflitzer, der über die Asphaltwellen der Straße des Lebens hinweggleitet und mich abtrennt von meiner irdischen Pflicht, höflich, umsichtig, weise, ehrerbietig, gütig, liebevoll, belehrend oder unterhaltsam zu sein. Einkapselung in jeder Form, den Sarg ausgenommen, hat für
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