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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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weiter so. Nur zu.»
    «Du weißt selbst, wie schrecklich unbeteiligt dich im Grunde alles gelassen hat. Nicht ein einziges Mal hast du angedeutet, daß du Jane vielleicht verlassen würdest. Ich weiß, du kannst es nicht, aber es wäre trotzdem nett gewesen, wenn du nur ein einziges Mal gesagt hättest, du wünschtest, du könntest es.»
    «Sie hätte mir einen Grund geben müssen, und das hat sie nie getan. Sie ist einfach zu gut.»
    «Nicht im Bett, wie es scheint.»
    «Das braucht nicht an ihr zu liegen. Die Frau ist das Cello, der Bogen der Beau. Und im übrigen wäre es mit uns beiden auch nicht so gut, wenn wir in aller Offenheit und Tag für Tag zusammen wären statt eine Stunde in der Woche.»
    «Ich liebe dich, Tom. Liebst du mich?»
    «Ich hasse das Wort, aber trotzdem: sicher. Ich bin scharf auf dich, genauer gesagt.»
    «Was verlangst du von mir? Sag es mir.»
    «Fahr mich nach Haus. Zu mir», fügte ich hinzu für den Fall, daß sie mich mißverstanden hatte. Sie war schon ein Stück durch den jetzt dunklen Ladendschungel zwischen unseren beiden Städten gefahren und wendete auf dem Parkplatz eines Schuhgeschäfts für Fabrik-Ausschußware. Kein Paar gleich. Wenn’s drückt, behalt’s an. Wenn’s paßt, wirf’s weg.
    «Mir tut das mit Ned sehr leid», sagte sie nach einer Pause. «Ich hoffe um seinetwillen, daß ich es nicht nur getan habe, um dich zu ärgern.»
    «Ist die Vergangenheitsform die richtige.»
    «Ich weiß nicht.» Ich befürchtete, sie würde wieder anfangen zu weinen. Aber wir waren jetzt in der Nähe der Kirche und des Pfarrhauses. Zwischen den beiden Gebäuden gab es einen asphaltierten toten Winkel. Hier, abseits vom Licht der Straßenbeleuchtung, hielt sie an, und ich überlegte, ob ich ihr einen Gutenachtkuß geben sollte. Es war mir ungewohnt, von rechts nach links hinüber zu küssen, die Frau am Steuer. Sie ließ die Hände auf meinen Schoß fallen, und so konzentriert, als forderte Buxtehude mit Sechzehntelnoten ihre ganze Fingerfertigkeit, riß sie den Reißverschluß an meinem Hosenschlitz auf. Eine erstaunliche Frau! Kein Wort wurde gesprochen; mir stand er sofort. Sie wand sich hinter dem Lenkrad hervor, manövrierte sich aus ihrem Höschen heraus, spreizte die Oberschenkel zu einem gotischen Bogen über meinem Schoß. Stell dir vor: die Dicke unserer Mäntel, die List unseres Fleisches, das Dampfgewölk unseres Atems – und die vereisten Fenster, durch die wir die Türmchen und Kuppeln und Giebel der Nachbarschaft verschwommen und vereinfacht wie die Zauberschlösser in Kinderbüchern lauern sahen. Sie war feucht (ein Stern sah blinzelnd zu, als ich in sie eindrang) und nahe davor; ich kam, so schnell ich konnte, sie schien zu kommen, ich zog meinen Reißverschluß wieder zu, wir küßten uns, ich stieg aus, ein Eisplacken brachte mich beinahe zu Fall, ich gewann das Gleichgewicht wieder, ihre Scheinwerfer schwenkten herum, mein Haus ragte drohend vor mir auf, meine Müdigkeit legte sich um ein verworrenes, schrumpfendes Vergnügen.
    Mein Hauseingang. Meine Haustür. Meine Treppe. Und wieder erhob sich das Treppenhaus vor mir, schattengestreift, um an den breiten braunen Rücken eines Sklaven zu gemahnen; diesmal erinnerte mich das böse Vorgefühl so eindringlich an mein eigenes Gefangensein – in einem Gott, den ich verspottete, in einem Leben, das ich verabscheute, in dem höhlenartigen, unbenennbaren Gefühl, an den falschen Platz gestellt zu sein und Unrecht zu tun –, daß ich einen Körper, schwer wie mit Ketten behängt, Stufe um Stufe nach oben schleppte. Jane bewegte sich, als ich unser Schlafzimmer betrat. Während ich mich auszog, tropfte ein Faden verspäteten Samens lauwarm auf meinen Schenkel. Ich benutzte das Badezimmer, ohne Licht zu machen, und schlüpfte ins Bett – so dankbar, wie einer der Verdammten es sein mochte, wenn der Rachen der ewigen Nacht sich über seiner angstvollen Ruhelosigkeit schloß. Zu beten, war mir unmöglich geworden. «Irgendwelche UFOs gesehen?» Jane, die gemerkt hatte, daß ich aufgewesen war, mißdeutete meine Ruhelosigkeit, drehte sich mitfühlend herum, schlang einen festen Schenkel um meine Hüfte, tastete nach meinem Penis, fand ihn und ließ ihn nicht wieder los.
     
    Die Haltung, die ich in der darauffolgenden Zeit Ned gegenüber einnahm, kann man mit Fug und Recht als krankhaft bezeichnen. Daß dieser blasse, schmächtige Körper (den er, außer bei eindeutig feierlichen Anlässen, in affektierter Nachahmung

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