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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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einen leichten Bogen beschreibenden Flurs zu unterbrechen) empfiehlt mir, über das zu schreiben, was mich am meisten interessiere.
    Was mich heute morgen am meisten interessiert, das ist das Bild, das überaus leuchtend und blau zwischen den bunten Blättern jenes fernen, gestaltlosen Staates hängt, wo ich einen Beruf, eine Gemeinde, eine Ehe und ein Pfarrhaus hatte, das Bild eines Mannes mit kalkweißen Beinen (ich selbst), der, mit nichts als dem Oberteil eines wie eine aufgedrehte Zuckerstange gestreiften Pyjamas bekleidet, nach Allerheiligen über einen frostigen Rasen geht. Er steigt über einen ihm bis zum Gürtel reichenden Lattenzaun, und vorsichtig wie ein Kudu, der von der Seite her sein Maul in ein von Tigern heimgesuchtes Wasserloch taucht, schiebt er sein Profil zwischen Büschen in den Lichtschein, der aus dem Fenster eines einstöckigen Häuschens, einer ehemaligen Pfarrhaus-Garage, dringt.
    Ein Mann und eine Frau sind in dem Haus. Der Mann draußen, der gleichzeitig das kokette Kratzen der Eibennadeln an seinen bloßen Hinterbacken wahrnimmt (er geht aus mindestens einer Dreifaltigkeit von Gründen ohne Pyjamahose ins Bett: um sich den masturbatorischen Zugang zu sich selbst zu erleichtern, um jede Beengung des Bauches durch einen Gummizug oder durch Knöpfe zu vermeiden, und um dem weiblichen Wesen im Minirock ein ermunterndes Zeichen zu geben, das, seit es im Augenblick des zeugenden Orgasmus meines Vaters in einen vergifteten Apfel biß, schwebend in mir liegt), wußte das. Er kannte den Wagen der Frau, ein rundliches schwarzes Coupe amerikanischer Produktion. Er hatte ihren Wagen, als er aus dem Schlafzimmerfenster starrte, am nächsten Querweg parken sehen, deutlich sichtbar zwischen den nackten Zweigen der Bäume (Laubfall! schon erfüllst du mich mit Trauer), die im Sommer seinen schmerzenden Standort verborgen hätten. Der gekrümmte Glanz seines Skarabäusrückens, purpurn unter dem schwefligen Licht der Straßenbeleuchtung, das über dem Weg brütete, fuhr ihm wie Stahl ins Herz. Eine Stunde oder länger wand er sich, dieser sagenhafte, ferne Mann (der, ich schwöre es, nicht vergessen werden wird, auch wenn man mir mit allen Machtmitteln institutioneller Therapeutiker in diesem diabolischen klimatisierten Sandkasten zu Leibe rückt), und versuchte, die Harpune aus der Wunde in seiner silbrigen, verbogenen [sic]Unterseite herauszudrehen. Er masturbierte noch einmal und stellte sich dabei aus Trotz ein Mädchen längst vergangener Zeiten vor, eine Rothaarige aus der Dachkammer seiner Jugend, deren Schamhaar ihren Schatz so nett umrahmte wie die Devise Excelsior ein altes ererbtes Medaillon. Nachdem sein armer, gewürgter Gefährte seine mächtige Beute wieder von sich gegeben hatte, sackte das Bett unter ihm einen Augenblick in wohltuende Leere, und er dachte, er könnte zwischen den Stößen der Eifersucht hindurch in den Schlaf entschlüpfen. Doch dann stellte sich das Bild ihres Wagens unter der Straßenlaterne wieder ein und damit der Gedanke an ihre Schreie unter seinen Liebkosungen und an ihre Haut unter den Kleidern und an ihre Stimme unter dem Schweigen – denn es gab keinen Zweifel, dieses ihr Tun war an seine Adresse gerichtet. Schließlich war sie seine Geliebte und hatte noch in dieser Woche bei ihm gelegen.
    Er erhob sich aus dem Bett. Seine Frau legte sich in dem großen grauen Ei ihrer Unbewußtheit zurecht. Er wagte nicht, die zum Knarren neigende Schranktür zu öffnen; halb bekleidet, wie er aus dem Bett gestiegen war, ging er die von Mondstrahlen gespänte Eichentreppe hinunter zur Haustür, deren fächerförmiges Fenster die matt schimmernden Tiffany-Farben der Scheiben in byzantinische Strenge faßte. Zitternd – sein ganzer Körper ein einziges Zittern, nur scheinbar fest, wie feste Materie – drückte er mit dem Daumen auf die nachgebende Klinke, zog die riesig vor ihm aufragende Pfarrhaustür an seine flatternde Brust, trat hinaus, auf Granit, und badete seine Beine in winterlicher Luft.
    Was für ein Spaß! Erst schnitzt man sich die Puppen zurecht und dann läßt man sie tanzen.
    Auf dem Rasen lag Rauhreif. Ringsum war alles dunkel. Der Mond spähte ihm schief über die Schulter, neugierig genug, um den Kopf zu neigen. Reverend Mr. Marshfield machte einen Bogen um die Überreste eines Wiffle-Balls, den seine Söhne wütend zerfetzt hatten, um eine Dose, die sein Hund zerkaut und ausgeschleckt hatte wie einen Knochen, um die glitzernde Kuchenplatte mit

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