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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Wunsch nach vier Kindern (den ich in der Naivität der fünfziger Jahre, als der globale Plumpudding voller Cents und Brandy Onkel Sam serviert zu werden schien, weil der so gut gewesen war, teilte). Unsere Sanftheit, der Seelenteig, der uns weiterhin zusammenhält { * } und unsere innere Ungehaltenheit in dem faden Frieden einer stillen Mahlzeit oder eines mit Bach und einem Buch verbrachten Abends versinken läßt, hat sich in konzentrierter Form auf dieses liebe plumpe Kind übertragen, das sich ein Paradies von Modellflugzeugen und gesammelten Mineralien und introvertierten Träumereien geschaffen haben würde, hätte die Vorsehung nicht seinen Bruder gesandt, um dem Bösen eine physische Gegenwart zu verleihen. Schon als Kleinkind schlug Martin auf das anstößig große Kind wie auf eine resonanzlose Trommel ein; als sie größer wurden, überholte der ältere Junge den jüngeren bei jedem Wettlauf und brachte ihn bei jedem ihrer Spiele zu Fall; noch ein wenig größer bedachte er seinen Bruder mit einem Sperrfeuer von Beschimpfungen, für die ich ihn, da sie ihm von einem jenseitigen Dämonen aufgezwungen schienen, nicht verdammen konnte. Ebenso konnte ich nicht umhin, meinen zarteren Sohn zu bemitleiden, auch als er heranwuchs und dank seiner größeren Belesenheit eine tyrannisierende Gesetzlichkeit zu seiner Verteidigung entwickelte. Ich hatte für beide Verständnis und konnte doch keinem helfen. Der Magen dreht sich mir, wenn ich sie mit klirrenden moralischen Waffen bei Tisch debattieren höre.
    «Du bist zum Kotzen!» verkündet Martin unvermittelt seinem jüngeren Bruder, als er ihm im Kerzenglanz am Abendbrottisch gegenübersitzt.
    «Wieso? Was habe ich denn getan?» Angst läßt ihn jede der Silben leicht überbetonen – Angst und die Entschlossenheit, sich nicht unterkriegen zu lassen.
    «Mom!» schreit Martin, und bei dem leichten Zucken der Haut an seinen Schläfen fühle ich, wie die Kopfschmerzen kommen. «Erst kaut er mit offenem Mund, und dann redet er auch noch, so daß man den ganzen Brei zwischen seinen Zähnen sieht!»
    «Und du erst!» schlägt Stephen zurück. «Kommst an den Tisch mit Dreckhänden vom Basketballspielen im Schlamm und einem Gesicht, das vor Pickeln aussieht wie eine Pizza.»
    «Wie eine Pizza – ha, ha, du Muttersöhnchen. Damit du’s weißt: ich kann nichts dafür, daß bei Jugendlichen durch Drüsenveränderungen die Haut in Mitleidenschaft gezogen wird, aber du solltest erst einmal lernen, wie ein anständiger Mensch zu kauen, statt wie ein Baby zu sabbern.»
    «Und damit du es weißt: ich habe so die Nase voll, daß ich, wenn ich den Mund zumache, nicht atmen kann. Aber wenigstens rede ich nicht drüber und verderbe nicht allen den Appetit und sage nicht ‹zum Kotzen› und all das Zeug, was wir dauernd von dir zu hören kriegen und was einem längst zum Halse raushängt.»
    «Ei, ei», sagt Martin, ist aber in Wirklichkeit leicht zerschmettert und versucht durch einen Seitenblick zu mir festzustellen, ob man es ihm anmerkt. «Hört euch den jungen Herrn Lehrer an.»
    «Wenigstens», fährt Stephen fort, «habe ich keine von diesen ekelhaften Penthouse-Nummern unter meinem Bett und nicht das ganze Gesicht voll Schorf.»
    Jane fragt: «Könnt ihr beide euch nicht ein einziges Mal bei Tisch in Ruhe lassen? Euer Benehmen ist beschämend. Tom, sag doch etwas!»
    Ich sagte: «Wo kriegt der Junge die Penthouse -Nummern her?»
    Obwohl Martin immer die Niedertracht des Gepeinigten anhaften wird, hat er nicht viel Talent zur Sünde. Er hat meine Freude am Schicklichen, aber angewandt auf seine eigene Person, und seit er neuerdings den Führerschein hat, beschämt er mich damit, daß er immer den Sicherheitsgurt anlegt und nie die zulässige Geschwindigkeit überschreitet.
    Stephen dagegen, der so lange zu passivem Wohlverhalten getrieben wurde und zu viele Jahre seines Lebens wie ein Engel aussah mit seiner Babyhaut und seinen langen Wimpern, ist im Rückstand, was Versuchungen betrifft, und begierig aufzuholen. Seine Innerlichkeit wird Drogen willkommenheißen, sein gutes Aussehen wird Mädchen anziehen, und die Jahre, in denen er vielfältige Kränkungen hinnahm, werden ihn, fürchte ich, von Schuld freisprechen. Dieser Sanftmütige ist darauf vorbereitet, das Erdreich zu besitzen. Er besucht, was wir uns kaum leisten können, eine Privatschule und bekundet keine Scheu vor dem Leben der Reichen. Einmal holte ich ihn um Mitternacht von einem Tanztest ab und fragte ihn in

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