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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Gibst mir jedesmal ein kleines, geziert-ärschiges Häppchen, machst, daß jeder Mann sich wie ein gieriges Tier vorkommt, gute Dinge in kleinen Portionen, kannst du mir das verübeln?»
    Die Niedrigkeit seiner unverhüllten Gedanken entsetzte mich. Meine Mutter war eine kleine Frau gewesen.
    «Sitz nicht so trottelig da mit deinem Hängemaul, Mooney, beichte deine Sünden mit bereitwilligem Herzen. Nach dem, was wir hinter uns haben, gesteht uns der Herr das Recht auf ein kleines plaisir zu, ein bißchen animalische Erlösung. Leib und Seele, Seele und Leib, der Löwe und das Lamm sollen zusammenliegen, und ein Leben nach dem Tode gibt es nicht. Der Sohn jedes Predigers kann sich davon überzeugen, lies nur deine Moleküle. Erzähl mir von der kleinen schwarzhaarigen Nutte, vielleicht probiere ich sie selber mal aus. Mam’selle, mam’selle, beaucoup de dollair si vous allez au lit avec moi, es erwischt sie da, wo sie zu Hause sind, der Verlierer hat keine Wahl. Was sagen sie doch, diese Franzmänner? Le con est le centre du monde. Weißt du, was meine Nutte sagt, wie sie eine Verlobung nennen? Einen compro-mis. Hörst du? Com-promis! Eine versprochene Fotze. Und das waren unschuldige Mädchen vom Lande vor knapp vier Jahren. Mooney, du lachst nicht. Hast Heimweh.»
    «Ich denke über die Weisheit deiner Worte nach», sagte ich zu meinem Vater.
    «Das will ich meinen, du Luder. Heimweh, Schwanzweh, Mooney, du hast ewig Wehwehchen, und das ist kein Wunder. Dein Betrug hat dich fertiggemacht. Das ist der Trick mit der Sünde: sie macht den Sünder fertig. Du bildest dir ein, du hättest mich untergekriegt, aber den harten Tatsachen nach bin ich der Überlegene. Ich sammle Beweismaterial, und kein anständiges Gericht im Commonwealth kann mir seine Hilfe versagen. Die Gemeindeversammlung stimmt diesem Vorgehen zu. Und kostet es auch einen schönen Batzen – wir sind übereingekommen, die Kasse zur freien Verfügung anzugreifen.» Ein argwöhnisches Zucken, der Verdacht, daß es mit seinem Plan – seiner Vorstellung, ein Plan sei ins Rollen gebracht worden – schiefgehen, daß die Sache ein Loch haben könnte, groß wie das Verderben selbst, schwand bei dem Gedanken an die Kasse zur freien Verfügung von seinem Gesicht. Er hatte wieder festen Boden unter den Füßen. Er lehnte sich in dem Sessel zurück; die Ränder, wo die nahezu identischen Stoffmuster aufeinandertrafen, vibrierten. Er schlug die Beine übereinander, und ein langes, bläulich violettes Schienbein wurde sichtbar, haarlos und glattgerieben bis in Sockenhöhe. Im Gegensatz zu der Vitalität seines zerzausten Hauptes wirkten seine Knöchel blutleer. Das waren die entkräfteten Stützen eines Kadavers. Die Hände in den Schoß gepreßt, um ihr Zittern zu unterdrücken, sagte mein Vater: «Tatsache ist, daß sie mich da draußen brauchen. Sonst solltest du gern deine Gefriermaschine haben, und ich würde die Augen gegen alle diese Machenschaften verschließen und alles auf den großen Exxon-Gewinn setzen.»
    «Wer braucht dich da draußen, Daddy? Wen meinst du?» Er sah mich fischäugig an und tastete auf dem Bett nach seiner Pfeife. Man hatte sie ihm weggenommen, weil er damit Löcher in seine Bettdecke brannte. Er mochte nicht, wenn ich ihn «Daddy» nannte, und mir gefiel es auch nicht. Aber er hatte keinen anderen Namen – «Vater» war unser Name für Gott gewesen. Er sah mich von der Seite her blinzelnd an – er hatte auf der Suche nach der nicht vorhandenen Pfeife den Kopf abgewandt – und fragte mich: «Müssen wir immer dieses leere kleine Lächeln aufsetzen? Hat diese künstliche gute Laune, diese gutgemeinte Schauspielerei denn nie ein Ende?»
    «Es tut mir leid», sagte ich und meinte es, und ich merkte, wie die Angst in mir wuchs, als sich jetzt eine stachlige Selbstgerechtigkeit wie unsichtbares Haar bei ihm sträubte.
    «Wer? Du fragst mich, wer?» Er meinte, die Antwort liege auf der Hand, konnte sie jedoch nicht finden. Die Verachtung, mit der er mich anstarrte, verengte sich zu Vorsicht. «Wieso? Alle. Alle da draußen. Im Glotzerland.» Er deutete mit der Hand auf das stumme, graugesichtige Fernsehgerät hinter mir. «Die Versammlungen», hob er an, «ihre vielen kleinen Kümmernisse, während sie sich von Geburt zu Tod bewegen und ihre Tragödien und Schwierigkeiten erleben, die Enttäuschungen, die ihnen die Freiheit bereitet, die tiefen Erfüllungen auf dem Mittelweg, die Übel, die das Erbe des Fleisches sind. Deren Kette und

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