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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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einen zu engen Handschuh gezwängt wird. Ich las weniger Barth und mehr Tillich und war dazu übergegangen, vergnügt im Haus ein wenig zu püttjern.
    Ich tippte zuerst «putten», was zeigt, wo ich in Wirklichkeit mit meinen Gedanken war. Tut mir leid, daß dies eine so klumpige Fortsetzung geworden ist. Blauer Montag. Die gestrige Predigt, die nahe daran war, in Blasphemie abzugleiten, liegt mir noch auf dem Magen. Vielleicht hat der consensus gentium recht: gewisse Dinge sollten als «Mysterien» in Latein eingesperrt und vergessen werden.

15
    Kurze, klare Absätze heute. Gestern bemühte ich mich – mit Erfolg, außer bei den schwierigsten Schlägen –, mein übermäßiges Rückschwingen abzustellen. In der Hoffnung, irgendwann die manchmal schon winkende 82 zu schaffen. Erstaunlich, wie kraftvoll so ein kurzer (aus der Hüfte kommender) Schwung sein kann.
     
    Püttjern. So hingen zum Beispiel etliche gerissene Schnüre von den Schiebefenstern herunter, die dadurch mühsam zu öffnen waren und doch jeden Moment wie Guillotinen auf das dumpfe Haupt dessen herabfallen konnten, der den Versuch unternahm, die Wintereinsätze gegen Fliegengitter* auszuwechseln. Ich hatte noch nie ein Fenster auseinandergenommen. Was für ein verzwicktes, raffiniert konstruiertes und dabei doch logisches Artefakt so ein Ding ist! Und wie aufregend, wenn erst all die Schrauben herausgedreht und alle Hemmeisen entfernt sind, das verrostete Fallfenstergewicht, diesen soliden kleinen Gefangenen, aus Dekaden der Finsternis herauszuziehen, ihn mit einer glänzenden neuen Schleife zu versehen und zu fühlen, wie er, wieder sicher eingeschlossen in seinem vertikalen Gefängnis, Leben in das mühelos steigende Fallfenster bringt! Ein wahrhaft sexueller Vorgang, diese dem getischlerten Arkanum des Rahmens entspringende belebende Reaktion.
    Oder Jane, in ihrer Tugend immer auf Ebenmaß und Einfriedung bedacht, hatte sich seit langem an dem Fehlen einer Tür zwischen Flur und Wohnzimmer gestoßen. Früher war dort einmal eine Tür gewesen, wie die Angelbänder bezeugten. Aber die Tür selbst war spurlos verschwunden. Nun standen jedoch im Keller andere Türen, die bei Renovierungsarbeiten durch den Schnorrer Morse übriggeblieben und von der Garage dorthin geschafft worden waren, als diese ihrerseits renoviert werden sollte. Ich fand eine darunter, die heil war und, wenn man ein wenig daran herumhobelte, passen mußte. Die Suche nach geeigneten Metallteilen gestaltete sich allerdings zu einem ingeniösen Rettungswerk, das mich bis unters Dach führte, wo ein einsames Messingschloß von veralteter Machart herrenlos auf einem Fensterbrett darauf wartete, wieder für die Menschheit nutzbar gemacht zu werden. Andere Teile – die andere Hälfte der Angeln und der Riegel – waren bemalt und von Rost zerfressen, und die harmlose kleine Arbeit an meiner gemütlichen Werkbank neben dem Heizkessel, all diese Einzelteile zusammenzufügen, sie in Kaffeekannen voll siedender Chemikalien zu reinigen und an dem ausgebesserten und verkitteten Türflügel, der genau andersherum gehangen hatte, als ich ihn einhängen wollte, anzubringen, bereitete mir ein Vergnügen, das vermutlich in keinem Verhältnis zu der erzielten Verbesserung stand. Allerdings vermochte mich, als die Tür schließlich hing, alles Geschick meiner Arbeit nicht über die gebliebenen Unvollkommenheiten hinwegzutäuschen, und in einem Anfall von Wut hätte ich am liebsten das ganze Ding mit dem vom Annageln der Angelzapfen noch warmen Hammer zertrümmert. Aber ich unterließ es, die Gewöhnung besänftigte mich bald, und Jane war zufriedengestellt. Daß ich weiterhin wünschte und nach wie vor wünsche, meine Frau zufriedenzustellen, füge ich hinzu als leidigen Schnörkel, als ulzerierten Makel unter dem Gürtel dieser Bekenntnisse. Vielleicht ersetzte mir das bewundernde Gurren, das meine Arbeit Janes heiligem Schweigen entrang, das Singen meiner Mutter.
    Wenn ich zurückdenke an die legendäre Zeit, als ich in der Welt lebte und meine Existenz dort hatte, meine ich, daß ich verliebt war in das Vollendete, in die abgeschlossene Reparatur, die gehaltene Predigt, den erfolgten Samenerguß, den in den Kasten gesteckten Brief; mehr in die vollbrachte Tat als, wie ein gesunder Hedonismus es einfältig anempfehlen könnte, in das Tun. Als Schuldjunge { * } brachte ich mich zum Einschlafen, indem ich mir vorstellte, wie bestimmte Gegenstände – Bleistifte, Sitzkissen, Teddybären – in einem

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