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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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der etwas lastenden Stille des Wagens – er duftete nach Parfum und wirkte benommen und gesprächig zugleich –, wie es war. «Okay», sagte er. Ich bat ihn um eine etwas ausführlichere Äußerung. «Dufte. Keine Kabbeleien», sagte er mürrisch. Mein Gott, machte mich das traurig! Willkommen, Buddha. Sei mir gegrüßt, Nirwana. Adam fiel nicht in Sünde und Christus erstand nicht vom Tode, auf daß es in der Welt keine Kabbeleien mehr gebe.
    Martin dagegen bestand darauf, die öffentliche Schule am Ort zu besuchen – ohne zuzugeben, daß er es um meinetwillen tat, um mir die Ausgabe zu ersparen und damit ich gemeinschaftsbewußt wirkte. Er ist in jeder Saison mit seiner Mannschaft unterwegs und sorgt dafür, daß unser spondeischer Name von den Rängen klingt. Der Kopf seines Bruders war der Amboß, auf dem er sich ein Rückgrat geschmiedet hat. Er hat Ehrgeiz und ist voller Erwartungen. Schon vor meinem Skandal brachte ich ihn in Verlegenheit durch meine übertrieben agnostischen Predigten, meine gewundene Ironie und meine Vorstellung vom Priester als Narr und Sündenbock. Er lacht nur im Triumph – wenn er ein Tor geschossen, eine Glanzleistung vollbracht hat. Nach dem Essen sitzt er da und schießt mit krummen Papierkügelchen in leere Gläser und applaudiert, wenn sich gelegentlich das Wunder eines Abprallers ereignet. Aber eines erschreckt mich; die Aureole des Unglücklichseins rings um seinen Kopf. Meine Versuche, mit ihm zu sprechen, scheitern an diesem Erschrecken. Meine Worte versiegen. Ich muß daran denken, wie er sich als Baby aus meinen Armen freistrampelte. Ich wage nicht, ihn zu berühren, er ist zu fest verschnürt, er könnte zerbrechen.
    Stephen, sollte ich vielleicht hinzufügen, mit seinem gefälligen guten Aussehen, wurde endlos verhätschelt und nahm das hin, und jetzt liegt er lange wach und hört den Nichtigkeiten zu, die das Radio ins Dunkel raunt, während sein älterer Bruder schwitzend und schlaff wie eine geöffnete Faust seit Stunden gehorsam schläft.
    Meine beiden Söhne. Ein ergiebigeres Thema, als ich geglaubt hatte. Eigentlich wollte ich heute noch über meinen Vater schreiben, aber die Mittagszeit und die Wüste, Alkohol und Golf rufen. Dabei kommt mir der Gedanke, daß die Vererbung ebenso aufwärts wie abwärts wirkt: das Kreatin der Golfleidenschaft schoß erst in meine Muskeln, als ich einen Sportler als Sohn hatte. Ebenso wurde ich erst zum Liebhaber, als sich mein zweiter Sohn als hübsch erwies. Ein gebender und ein nehmender, ein Spartaner und ein Sybarit – deutlich zeigt sich des Stammes Gabelung.

16
    Theoretisch einmal in der Woche, in der Praxis weniger oft, stieg ich in meinen klerikalen braunen Dart (falls Erdbeobachter in den UFOs sind, müssen sie uns für eine Molluskenart halten, aber vielleicht glauben sie auch, daß Automobile unsere Wirtstiere und wir Parasiten sind, die nur kurze Fluchtperioden überdauern) und steuerte eine trostlose Stunde lang durch Amerikas Highway-Albtraum zu dem Pflegeheim, in dem mein Vater, siebenundsiebzig Jahre jung, versteckt worden war. Ein ländlicher Nebenweg, ein Halbrund von niedrigen Backsteingebäuden, ein beschönigendes Schild, geschnitzt und vergoldet: Valleyhead. Drinnen eine alles verleugnende Reinlichkeit. Eine stämmige Empfangsschwester, fuchsienroter Kaschmirpullover, wie ein Cape umgelegt, über dem gestärkten Schwesternmieder, lächelt den artverwandten Bogen meines Kragens an: wie Frauen doch auf Uniformen fliegen! Gummiflure und an den Wänden hier und da ein Trompe l’œil, neorealistische Bilder, groß wie Türen, verrunzelte, vor sich hin starrende alte Männer darstellend, die zwischen weißen Decken auf Niemand warten. Die Wirklichkeitsnähe benimmt einem den Atem. Die unschuldigen Reihen einer Pflegestation, einer Geflügelbrutanstalt: jeder Raum enthielt eine lebende, das Ei der Umwandlung ausbrütende Seele und winkte mich geisterhaft herein und hätte mich zu Mitgefühl und Liebe verleitet, wäre ich nicht festen Schrittes, die Augen gegen die Täuschung verschlossen, zu der fernen Zelle geschritten, in der ein magischer Mann saß, der einst den Anspruch erhob, mein Vater zu sein.
    Aber jetzt nicht mehr. Seine Ansprüche waren erloschen. Er verwechselte mich mit seinem Bruder Erasmus, mit einem alten Armeekameraden namens Mooney (mein Vater hatte im Ersten Weltkrieg gedient, nicht als Militärgeistlicher, sondern als einfacher Soldat bei der kämpfenden Truppe; sein Bataillon war in der ersten

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